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Eben Alexander
Blick in die Ewigkeit
Die faszinierende Nahtoderfahrung eines Neurochirurgen

Ansata, 255 Seiten, ca. 20.00 €

 

Rezensiert von Claus Speer

 

Über Eben Alexanders Nahtoderfahrung ist schon viel geschrieben worden und sie ist sicher ein wichtiger Meilenstein in der Nahtodforschung, auch wegen dem Gehalt der Nahtoderfahrung selbst,  eher aber weil Eben Alexander als Hirnchirurg ganz aus dem materialistisch orientierten naturwissenschaftlichen Weltbild entstammt und nun vom Saulus zum Paulus geworden ist. Mit diesem Kommentar betrachte ich sein Buch aus einem besonderen Blickwinkel, dem in den bisherigen Rezensionen kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

„Nun brauchen wir noch das Pendant zu Eben Alexander". Das war mein erster Gedanke als ich am Ende des Buches angelangt war. Eben Alexander hatte eine Nahtoderfahrung, die ihn sehr weit in die transzendente Realität geführt hat. Seine Erfahrung lässt ihn deutlich die falsche Grenzziehung des heute herrschenden naturwissenschaftliche Weltbildes erkennen, schubst aber den Leser mehr oder weniger subtil in das heute herrschende christliche Weltbild hinein ohne deutlich genug dessen eigene Begrenzungen zu erkennen oder zu erwähnen. Das Buch, bei dem der amerikanische Verlag vermutlich diese Färbung eingebracht hat, erzeugt den Eindruck einer evangelikalen Erweckungsliteratur, die nur ein vereinfachendes Entweder-Oder kennt. Es wird zu wenig deutlich, dass auch das christliche, ebenso wie das naturwissenschaftliche Weltbild menschengemachte Grenzziehungen hat, die es ebenfalls zu überschreiten gilt.

Jeder NTE-Erfahrene ringt mit Worten und Gleichnisse, die er nur aus der irdischen Sprache und Erfahrungswelt entnehmen kann, um das Unaussprechliche auszudrücken was er unzweifelhaft als Realität erfahren hatte. Zwangsläufig assoziiert ein Leser, der nicht selbst eine ähnliche Transzendenzerfahrung gemacht hat, jedes Wort mit seinen eigenen irdischen Erfahrungen und Vorstellungen. Das birgt besonders bei Worten aus der christlichen Tradition einen Konflikt. Solche Begriffe gründen zwar ursprünglich auf die Transzendenzerfahrungen einiger Weniger, wurden dann aber von Abermillionen Menschen, die keine solche Erfahrung hatten, „griffig" geformt und als Glaubenslehre weitergeben. In der frühen Kirchengeschichte waren die Vorstellungswelten noch sehr viel variationsreicher als heute. Die meisten davon wurden dann im Laufe der Dogmengeschichte als „falsch" definiert und nur eine dieser Deutungen zur Wahrheit erklärt. Verwendet ein Nahtoderfahrener nun einige Begriffe aus dem geltenden christlichen Weltbild, so assoziiert der glaubende Leser sie fast zwangsläufig mit dieser heutigen Glaubenslehre ohne deren transzendierende Bedeutung zu erkennen. Ja, er fühlt sich sogar gänzlich in seinem Glauben bestätigt.

Um ihre Erfahrung zu beschreiben, vermeiden die meisten Nahtoderfahrenen Worte, die eng mit einem heutigen christlichen Weltbild verbunden sind. Auch wenn Eben Alexander mit diesen Begriffen durchaus sparsam umgegangen ist, bestimmen sie doch den Eindruck auf den Leser in die christliche Kirche(n) zurückgerufen zu werden. Das Wort „Gott" wird sonst fast nie von Nahtoderfahrenen gebraucht. Eben Alexander tut es dann doch und löst damit diese genannte Assoziationskette aus. Damit macht er es unnötigerweise jenen Suchenden schwer, die auf ihrem geistigen Weg in den christlichen Kirchen keine Antworten mehr auf ihre Fragen gefunden hatten und sich nun auf die Suche außerhalb der christlichen Tradition gemacht hatten.

Ich möchte zwei Beispiele anführen.

Aus allen Nahtodberichten können wir schließen, dass unser individuelles Bewusstsein den körperlichen Tod überdauern kann. Die Betroffenen fühlen sich auch ohne irdischen Körper absolut vollständig und wie Eben Alexander in der Lage dem Zentrum allen Seins nahe zu sein. Die christliche Tradition hat ausgehend von ihren jüdischen Wurzeln dagegen eine komplizierte Lehre entwickelt, die zum vollkommenen Leben nach dem Tod, der Auferstehung, immer noch einen Leib benötigt. Das leere Grab Christi, als Beweis für die Verwandlung des irdischen Leibes in den Auferstehungsleib, ist auch heute immer noch eine zentrale Grundlage christlichen Glaubens. Mit der Erkenntnis der Naturwissenschaft, dass die Materie unseres Körpers in wenigen Jahren wieder vollständig in den Kreislauf der Natur zurückgegeben ist, ist eine solche Auferstehungsvorstellung nicht mehr haltbar.

Ein zweites Beispiel bezieht sich auf die Frage warum die Menschen so krass unterschiedliche Startbedingungen in das Leben haben. Während das eine Kind von beiden Eltern geliebt und gesund auf die Welt kommt, beginnt ein anderes Kind behindert und abgelehnt dieses irdische Leben. Auf die Frage nach diesem krassen Unterschied hat die heutige christliche Lehre keine Antwort, weil sie immer noch die Empfängnis als den Beginn eines individuellen Lebens ansieht. Die christliche Tradition kannte durchaus schon einmal die Vorstellung, dass jeder Mensch mit einer individuellen Vorgeschichte in das irdische Leben tritt. Diese Vorstellung wurde im Konzil von Konstantinopel 553 abgelehnt und ist seither dogmatisch verschlossen. Alle Nahtoderfahrene sind sich darin einig, dass sie aus einer ursprünglichen geistigen Heimat in das irdische Leben gekommen sind und auch nach dem Tod wieder dahin zurückkehren werden. In einigen wenigen Berichten von Nahtoderfahrenen lesen wir auch, dass sie sich bei einer Lebensrückschau in Existenzformen wiedergefunden haben die zudem ein früheres irdisches Leben nahelegen. So ist auch in diesem Punkte die christliche Lehre zu hinterfragen. Die Liste der Beispiele lässt sich noch lange fortsetzen.

Nun brauchen wir noch das Pendant zu Eben Alexander. Am Besten wäre ein Dogmatikprofessor mit einer entsprechenden Nahtoderfahrung, der analog zu Eben Alexanders Anhang B heutige Positionen der Schultheologie mit seiner Nahtoderfahrung kritisch vergleicht.

Claus Speer
Arbeitskreis Origenes

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