Brief des Arbeitskreises Origenes an
Kardinal Kurt Koch
zu seinem Artikel
 

Leben wir nur einmal auf Erden?
Reinkarnation und Fegefeuer

 

Der Autor war Z.Zt. der Verfassung des Artikels Ordinarius an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. Er ist heute Kurienkardinal des Vatikans und Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Sehr geehrter Herr Kardinal Kurt Koch!

Beim Durchstöbern der Gästebibliothek im Kloster St. Erentraud bei Weingarten war ich wie elektrisiert, als ich im Mai 2012 die Überschrift eines Artikels  "Leben wir nur einmal auf Erden? - Reinkarnation und Fegefeuer" las. Ich hatte zunächst keinen Blick auf den Namen des Verfassers geworfen. Der Artikel begeisterte mich dermaßen, dass ich mir vornahm dem Autor zu schreiben um ihm zu diesen Überlegungen zu gratulieren. Erst später wurde mir klar, dass Sie zu dieser Zeit der Bischof von Basel waren und zwischenzeitlich sogar zum Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen berufen worden sind. Mein Vorhaben möchte ich trotzdem in die Tat umsetzen und den Brief an Sie schreiben. Ich veröffentliche ihn in meiner Website unter http://www.origenes.de/kommentare/kommentare.htm .

Sie machen dem Leser zunächst klar, dass die Reinkarnationsvorstellungen in den östlichen Religionen und im Westen sehr verschieden sind. In den östlichen  Religionen möchte man der Wiedergeburt möglichst entrinnen, weil sie nur Leid bedeutet, während im Westen das nochmalige Erdenleben als tröstlich angesehen wird um sich fortzuentwickeln und begangene Fehler wieder gut machen zu können. Dieses westliche Bild der Reinkarnation lässt Sie die Verknüpfung mit dem Christentum entdecken: Die katholische Lehre des Purgatoriums als ein Reinigungsweg zwischen Tod und Auferstehung kann darin bestehen, dass eine Seele in einem neuen Menschen wiedergeboren wird um das zu lernen was ihr noch fehlt.

Sie vermerken mit Recht, dass die schreiende Ungerechtigkeit der krass unterschiedlichen Lebensumstände, unter denen Menschen in diese Welt hineingeboren werden, damit eine Erklärung finden würde.  

Ganz neu sind solche Gedanken auch im Christentum nicht. Sie erinnern an Origenes, der   schon im 3. Jahrhundert lehrte, dass alle Umstände eines menschlichen Lebens seine Ursache in der Praeexistenz der Seele hat. Auch wenn es fraglich ist, ob Origenes damit auch die Reinkarnation gemeint hat, so ist  doch dieses Bild eine ganz entscheidende Erweiterung gegenüber der heutigen Lehrmeinung von der Schöpfung einer Seele während der Zeugung.  

Rückerinnerungen von Kindern an frühere Leben sind teilweise recht überzeugend. Sie erwähnen in ihrem Buch selbst einige Fälle. Einige weitere finden Sie in meiner Website unter http://www.origenes.de/praeexistenz/praeexistenz.htm . Auch bei Menschen mit sog. Nahtodeserfahrungen kommen Erinnerungen an frühere Leben vor. Ein ausführlicher Bericht stammt von Stefan von Jankovich:  www.origenes.de/praeexistenz/jri/jankovich-reinkarnation.htm.  

Sie stellen natürlich auch die Frage nach der Beweisbarkeit der Reinkarnation und stellen mit Recht fest, dass dies prinzipiell nicht der Fall sein kann. Selbst im Bereich der neueren Physik spricht heute niemand mehr von Beweisen im Sinne einer absoluten Wahrheit. Ein Beweis in strengem Sinne gibt es nur in der Mathematik bei einer reinen Logik. Im Bereich der Außenwelt sind wir auf Interpretation von Beobachtungen angewiesen. Man kann zwar  neue Beobachtungen ggf. in bestehende Weltbilder einordnen, der Beweis oder die Falsifizierung bleibt aber immer nur relativ zum Referenzweltbild. Wenn dies einmal nicht gelingt, werden diese neuen Beobachtungen oft ignoriert oder als Täuschungen angesehen. Stellt man sich aber dieser Herausforderung dann führen diese neuen Beobachtungen zu einem radikalen Umbruch und zu einem neuen Weltbild. Das ist natürlich nicht jedermanns Sache. Wer unwiderlegbare, also absolute Beweise für etwas wie die Reinkarnation fordert, darf sicher sein, dass er sein eigenes, ebenso unbeweisbares Weltbild nicht zu verlassen braucht.

So kann niemand seriös von Beweisen für die Reinkarnation sprechen, wohl aber von überzeugenden Indizien. Sie haben diese Indizien, die für die Reinkarnation sprechen aufgeführt und warnen ihre Mitbrüder sogar davor einen neuen Fall Galilei zu inszenieren, wenn sie sich gegen abgesicherte Fakten zu Wehr setzten.

Eigentlich erwartet der Leser nach dem ersten Teil der Lektüre ein deutlicheres Bekenntnis für die Reinkarnation. Deren prinzipielle Unbeweisbarkeit lässt Sie aber dann doch zum Ende des Buches auf die traditionelle Position eines einmaligen Lebens zurückziehen. Seit Erscheinen ihres Artikels 1997 sind viele weitere Fälle, die für die Reinkarnation sprechen, dokumentiert worden. So wird sich vermutlich der Prozess  weiter fortsetzen, dass sich immer mehr Menschen des Westens dem Glauben an die Reinkarnation anschließen. Sie haben den Weg aufgezeichnet, wie diese Vorstellung auch in die christliche Lehre integrierbar ist. Ob sich dieses erweiterte christliche Weltbild innerhalb oder außerhalb der etablierten Kirchen entwickelt, hängt ganz von deren Verhalten ab. Sie, als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, bekleiden ein Amt in der katholischen Kirche, das dieses Verhalten entscheidend beeinflussen kann.

mit herzlichem Gruß

Claus Speer

Claus Speer
Arbeitskreis Origenes
Wagenburgstr. 24
D 74081 Heilbronn
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