Alles endet im Licht
von Hans Dienstknecht
ISBN 3-00-002287-2 

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,, Was du selbst durchdacht, erlebt, angewendet, oftmals genug auch korrigiert hast, das wird dir helfen, in eine geistige Freiheit hineinzuwachsen. Einen anderen Weg gibt es nicht. Wenn du bereit bist, deinen Verstand zu gebrauchen und in gleichem Maße dein Herz sprechen zu lassen, kann ich dir helfen, deinen Weg mit weniger Schmerz und Kummer zu gehen als bisher. Du hast den freien Willen, und damit liegt die Entscheidung hei dir. " (DAS LICHT)




1. Licht aus dem Ursprung allen Seins

 

Es kam äußerst selten vor, daß ich mitten in der Nacht aufwachte. Diesmal war es geschehen, und ich wußte, daß es einen tieferen Grund dafür gab. Welchen, das war mir allerdings nicht klar. Es mußte etwas Wichtiges gewesen sein, das spürte ich. Ich hörte in mich hinein und versuchte, meine Gefühle zu ordnen. Was war passiert? Eine vage Erinnerung kam hoch: Auf eine eigenartige Weise hatte mich etwas verunsichert und dennoch neugierig gemacht. Etwas Mächtiges, nicht Erklärbares, Allumfassendes. Ich suchte nach Worten dafür, die mir einigermaßen treffend schienen, fand aber keine.

Nun lag ich da in meinem Bett, war durch irgend etwas aufgewacht und dachte über das nach, was mir widerfahren war. Ich versuchte, mich an meine Träume in dieser Nacht zu erinnern in der Hoffnung, hier eine Erklärung für meine Gemütsbewegung zu finden. Viel kam nicht dabei heraus, außer daß mir der Gedanke an etwas eigentümlich Vertrautes nicht aus dem Kopf ging. Ich bekam immer mehr das Gefühl, etwas Lebensentscheidendes wäre mir begegnet. Diese Empfindung wurde auch dadurch verstärkt, daß sich zu meiner inneren Unruhe der Wunsch gesellte, noch einmal in die Nähe dieser "Faszination" zu kommen.

Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf, während ich wach da lag. Konnte ich meinen Empfindungen trauen oder nicht? Ich fragte mich sogar, ob ich gestern abend vielleicht etwas mehr getrunken hatte, als mir gut getan hat. Ich glaubte es zwar nicht, aber ich würde meinen Freund Peter fragen, mit dem ich am Abend zuvor zusammengewesen war. Hatte ich zuviel gegessen, so daß durch einen übervollen Magen wirre Träume ausgelöst worden waren? Gab es das überhaupt? Oder war vielleicht eine Grippe ...?

Nein, nichts von alldem! Ich war gesund, ich war klar, ich war ein vernünftig denkender Mensch, ein Mann mit beiden Füßen im Leben. Was also war passiert?

Ich drehte mich auf die andere Seite in der Hoffnung, bald wieder in den Schlaf zu finden. Könnte es sein, daß mir Gleiches oder Ähnliches noch einmal widerfuhr? Wollte ich es überhaupt? Oder wollte ich nicht viel lieber meine Ruhe, weil ich ahnte, daß möglicherweise Gravierendes mein Leben verändern würde?

Wie oft ich mich herumdrehte, weiß ich nicht mehr. Mal hatte ich das Gefühl, kurz vor dem Einschlafen zu sein; dann wieder schien es mir sinnvoller, aufzustehen und das Geschirr von gestern abend zu spülen, da ich ohnehin zum Weiterschlafen innerlich zu angeregt war. Und immer dieses Gefühl - oder war es ein Bild? -, daß ein "Etwas" mit Dimensionen, die über meinen Verstand gingen, mir nahe war.

Irgendwann bin ich dann doch eingeschlafen. Oder glaubte ich es nur, weil das Unfaßbare - wenn überhaupt - nur im Traum und nicht in der Realität möglich schien? Heute weiß ich, daß ich mich in einem Zustand befand, den schon viele Menschen erfahren haben, und den sie mit den Worten schildern: "Ich habe geschlafen, aber trotzdem war ich hellwach. Ich wußte, daß mein Körper schlief, doch mein Geist war ganz klar, so als wären Körper und Geist zwei unabhängig von einander existierende Wesen."

Während ich schlief, spürten mein Verstand und meine Sinne, wie sich eine Veränderung in meiner Wahrnehmung vollzog. Damals hatte ich den Eindruck, als würde sich der Raum um mich herum erfüllen, so daß ich anderes sehen konnte als zuvor. Heute weiß ich, daß dies alles in mir geschah.

Noch während vor meinen Augen das Licht zu erstrahlen begann, war mir klar, daß ich die Ursache für mein Aufwachen, für meine Spannung und die damit verbundenen Fragezeichen gefunden hatte. Nicht einen Moment mehr kam mir in den Sinn, daß die Erscheinung des Lichtes etwas mit möglichen körperlichen Ursachen zu tun haben könnte oder auf Halluzinationen oder Phantasien zurückzuführen sei. Nein, hier war ich - und da war das Licht, und es war zu mir gekommen, und es war gut so. Das war für mich das Natürlichste der Welt, es war Realität.

Trotzdem war alles neu für mich. Ich akzeptierte zwar auf Anhieb, daß hier etwas vollkommen Normales ablief, aber ich war nach wie vor Ferdinand Frei, 55 Jahre alt, verwitwet, eine Tochter, Vertreter, religiös nicht gebunden, ein halbwegs freier Geist und ein gesundkritischer Mensch - und ich hatte Fragen. Gleichzeitig hatte ich das untrügliche Gefühl, daß sie mir alle beantwortet werden würden; zwar auf eine Art und zu einer Zeit, die ich nicht bestimmen konnte, aber es würde kein Suchen und kein Umherirren mehr geben. Das ließ mich ruhig und absolut sicher sein, wie nie zuvor in meinem Leben geführt und geschützt zu werden. Und so wandte ich mich voll und ganz dem strahlenden Licht zu, das mich - obwohl es heller schien als alles, was ich kannte - nicht blendete. Ein nie erlebtes Gefühl der Achtung vor etwas Hocherhabenem und eine tief empfundene Hingabe an diese lichtvolle Größe erfüllten meinen Geist. Ich wußte, daß ich mich bei all meiner Unvollkommenheit diesem Licht vertrauensvoll zuwenden konnte wie ein Kind seinem Vater oder seiner Mutter, wie ein Freund dem anderen.

Wie sollte es nun weitergehen? Wer von uns beiden sollte den nächsten Schritt tun? Wenn das Licht mit seinem Erscheinen seinen Schritt getan hatte, dann war es jetzt an mir, meinen Schritt zu tun. Also sprach ich das Licht an:

"Wer bist du?"

Es war das einzige, was mir einfiel. Wer ich war, wußte das Licht sowieso. Davon ging ich zumindest einmal aus. Und was sollte ich sonst sagen oder fragen? Die Antwort kam unverzüglich.

Mein Wesen ist Liebe. Ich bin aus dem Ursprung allen Seins und lebe in der Unendlichkeit. Liebe, Licht und Leben sind meine Natur, die aus Gott ist. Da alles eine Einheit ist, bin ich ein Teil von dir, so wie du ein Teil von mir bist. Ich kenne dich seit ewigen Zeiten - und ich liebe dich.

Es fällt mir selbst heute noch schwer, die Gefühle zu beschreiben, die damals über mich hereinbrachen. Auf der einen Seite war da ein natürliches Selbstvertrauen, gepaart mit einem gesunden Stolz auf wenigstens einige Abschnitte meines Lebens (die anderen sparte ich meistens aus), auf der anderen Seite wurde ich hier und jetzt mit einer Situation konfrontiert, die ich auch nicht im Entferntesten unter Kontrolle hatte. Ich konnte nichts anderes tun, als völlig überrumpelt und hingebungsvoll zu schauen, zu staunen und Fragen zu stellen, die mir auch noch beantwortet wurden! Eine Wärme strahlte mir entgegen, wie sie als schwacher Abglanz manchmal in den Augen einer Mutter ihrem Kind gegenüber zu sehen ist. Gleichzeitig hüllte mich eine Liebe ein, in der nichts anderes wichtiger war, als ein Teil davon zu sein.

All das auf einmal war in meinem Herzen. Und wenn auch mein Ego ein wenig irritiert, um nicht zu sagen hilflos war, so hätte ich doch diese Momente für nichts auf der Welt eingetauscht. Ich war der Liebe begegnet, nicht irgendeiner, sondern der Liebe. Sie war nicht fern, irgendwo in unerreichbaren Sphären, sie war konkret da, sie "stand" mir gegenüber, war ein Teil von mir. Sie hatte es eben selbst gesagt. Und wie lange kannte sie mich schon? Eine Ewigkeit lang? Mitten in meine Verwirrung hinein sprach mich das Licht erneut an:

Nun weißt du, wer ich bin.

Ich nickte.

Und wer bist du?

Ich glaubte, das Licht nicht richtig verstanden zu haben. Welch eine Frage?! Es mußte mich doch kennen. Als das Licht die Frage wiederholte, merkte ich, daß ich wohl eine Zeitlang geschwiegen hatte. Ich war zu perplex: Wenn ich wußte, wer ich war, warum wußte es das Licht nicht? Träumte ich doch? Nie und nimmer! Was also sollte das? Vieles ging mir durch den Kopf. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken und bat das Licht darum. Mir schien, als hätte es dies erwartet. Ein liebevolles und nachsichtiges Natürlich war die Antwort und dann die Worte, die mich von diesem Zeitpunkt an mein Leben lang begleiteten:

Gebrauche deinen Verstand.

Damit verabschiedete sich mein Licht. Als ich am Morgen erwachte, wußte ich, daß sich mein Leben verändern würde, ja schon verändert hatte. Die nächtliche Begegnung stand nämlich so lebendig vor meinen Augen und hatte sich so scharf in mein Gedächtnis eingebrannt, als wäre all das bei höchster geistiger Klarheit geschehen. Was ja vermutlich auch der Fall war.

Neben der festen Überzeugung, nicht allein zu sein, sondern von meinem Licht begleitet zu werden bei meinem Tun, nahm ich zwei Dinge mit in den Tag: Die Frage Und wer bist du? und die Aufforderung Gebrauche deinen Verstand. Letzteres war wohl dringend nötig.