Bin Ich es den Du liebst?
von Hans Dienstknecht


nächstes Kapitel                                 zurückblättern                               zum Anfang des Buches

10.

"Der ewige Urlauber ist wieder da", begrüßte mich Eva, als ich unser Büro betrat. "Und gut sieht er aus."

"Gut sehe ich immer aus", brummelte ich neckend, "du meinst wohl ‘braun gebrannt’?"

"Nun übertreib’ mal nicht, Ferdinand." Sie gab mir einen Klaps auf die Schulter und rief Peter zu, der schon an seinem Schreibtisch saß und die ersten Telefonate führte: "Du kannst dich entspannen, er ist zurückgekommen."

Ich ging an meinen Schreibtisch, schaute flüchtig die Post und die Vorgänge durch, die sich in der Woche angesammelt hatten. Es war nicht viel. Sowohl Eva als auch Peter hatten gute Arbeit geleistet und nur das wenige auf meinen Tisch gelegt, das ich entweder wissen mußte, zu dem ich meine Meinung sagen und oder etwas entscheiden mußte. Peter hatte sein Gespräch inzwischen beendet, wir begrüßten uns herzlich und ich mußte natürlich zuerst einmal erzählen, was mir in meinen Urlaubstagen so widerfahren war. Das war schnell erledigt, denn ich hatte nicht viel zu berichten. Was sollte in einem so kleinen Dorf auch schon geschehen? Das gute Wetter hatte sich gehalten, gewandert war ich mehr als genug, ausgeruht und erholt fühlte ich mich auch. Es konnte wieder in die Vollen gehen.

Dann sprachen wir über die Woche im Geschäft. Ich erfuhr, daß Peter ein paar Besuche in seine Reisen hatte mit einbauen müssen, die meine Kunden betrafen ("waren aber alles keine großen Sachen"), und daß aus meinem Gebiet zwei größere Aufträge erteilt worden waren, so daß sich in der Woche ein Spitzenumsatz ergeben hatte. Das war meinem Chef ein Anruf bei mir wert, wobei er seine Freude über die guten Geschäfte mit der Überlegung verband, mich des öfteren in Urlaub zu schicken, "weil Ihre Abwesenheit anscheinend einen Kaufanreiz für Ihre Kunden darstellt." Wir wußten, was wir aneinander hatten.

Peter fuhr schon im Laufe des frühen Vormittags los, bei mir schien es doch Mittag zu werden. Ich fragte ihn, ob er abends zu mir kommen könne? Kein Problem; er sei sowieso allein, da Katharina in ihre Gymnastikstunde ginge. Das traf sich gut und wir vereinbarten, daß er zum Abendessen bei mir ‘reinschauen würde.

Ich kam nicht zu spät an diesem Abend nach Hause, so daß die Zeit noch ausreichte, unser Abendessen vorzubereiten. Ich hatte mich für Spaghetti und eine Soße entschieden, die ich immer aus dem zubereitete, was ich gerade im Keller und Kühlschrank vorfand. Sie wurde dadurch jedesmal anders, und fast immer schmeckte sie gut, war aber kaum einmal zu wiederholen. Heute war der Peperoni-Anteil beachtlich; Tomaten, Pilze, Zwiebeln, Paprikastreifen, Oliven, Sahne, Knoblauch und diverse Gewürze stellten den Rest dar.

Es schmeckte uns hervorragend. Dann machten wir es uns gemütlich. Peter mit seinem feinen Gespür hatte natürlich heute morgen schon gewußt, daß ich ihm mehr zu erzählen hatte, als das, was ich im Büro gesagt hatte, und was für Eva bestimmt war. So war es ja auch.

Ich hatte mir überlegt, mit ihm gemeinsam das Thema zu beleuchten, auf das mich mein Licht aufmerksam gemacht hatte. Zuvor aber erzählte ich ihm von meinen Erkenntnissen über Luther und die aus Luther resultierende Reformation, auch über das Bild mit den vielen Wanderwegen und Wegweisern. Peter hörte aufmerksam zu und freute sich mit mir über meine neuen Einsichten. "Über unsere", verbesserte ich ihn, "denn du hast in unseren Gesprächen nicht wenig zu den vielen Lichtern beigetragen, die in unser beider Köpfen aufgegangen sind."

"Und was wollen wir heute ergründen, mit himmlischer Unterstützung?"

Ich versuchte, möglichst wörtlich das wiederzugeben, was mir mein Licht gesagt hatte:

"Es betrifft einen Aspekt der Seele ... Kein Gesetzgeber kann darauf verzichten, die Einhaltung seiner Gesetze sicherzustellen. Bei Gott gibt es keine Polizei, Staatsanwälte, Richter, Strafen und Inhaftierungen ... Heißt das, Seine Gebote können ohne weiteres übertreten werden? Wenn nicht: Wer ist die überwachende Instanz? So oder beinahe so lautete die Fragestellung. Ich habe mir gedacht, das wäre was für uns zwei. Alleine ist es nicht das Wahre, und mein Licht brauche ich nicht zu fragen. Von ihm kam die Anregung."

"Ach ja", ergänzte ich, "es hat noch etwas angefügt: Die Hälfte der Lösung hätte es mir bereits verraten."

"Ich erinnere mich gerade an meine Kindheit", begann Peter. "Meine Eltern waren einfache, ehrliche Leute. Ihre bzw. meine Erziehung war nicht besonders streng, aber sie war konsequent."

"Sag’ mal ein Beispiel."

"Da gibt es mein Lieblingsbeispiel, das ich nie vergessen werde. Es war an einem Sonntag; ich hatte irgend etwas angestellt oder war gerade dabei, ist ja auch egal, auf jeden Fall sagte meine Mutter: ‘Peter, wenn das so weitergeht, dann kannst du heute nachmittag nicht zur Oma’. Nun war ich zum einen ein Lausebengel, der mit seiner Frechheit an diesem Morgen den Bogen überspannte; zum anderen aber auch schon so schlau, daß ich mir dachte: ‘Die müssen mich ja mitnehmen, die können mich nicht hier allein lassen’."

"Und?" fragte ich gespannt.

"Ich hatte eine weitere Möglichkeit außer acht gelassen: Wir sind alle zu Hause geblieben. Das hat mir damals weh getan, aber es war mir eine Lehre sondergleichen. Es war vielleicht eine der besten, die ich in meiner Kindheit bekommen habe. Meine Mutter war dabei überhaupt nicht böse, sie hat nicht geschrien oder war sauer auf mich - natürlich hat sie sich auch nicht gefreut. Sie hat nur das getan, was sie angekündigt hat. Ruhig, klar, konsequent." Peter schaute für einen Moment richtig verträumt. "Sie war echt gut."

"Wenn sie nur gedroht hätte, und ihr wäret doch zur Oma gegangen ..."

" ... dann hätte sie verloren." Er nickte leicht. "Meine Geschwister und ich hätten so etwas sofort als Schwäche erkannt und ausgenützt, vielleicht die ganze Kindheit und Jugend hindurch. Nicht aus Bosheit oder um sie zu ärgern, einfach deshalb, weil wir natürlich immer versuchten, unseren Kopf durchzusetzen."

"Das ist auch gar nicht so schlecht; Kinder müssen ihre Grenzen kennenlernen. Wenn unsere Eltern sie uns nicht gesetzt hätten, meist liebevoll und führend, hätte das Leben sie uns gesetzt. Diese Lektionen zu lernen wäre bestimmt härter gewesen."

"So sehe ich das auch."

Ich hatte in der Zwischenzeit einen Tee gemacht und schenkte ihn ein, verfeinert mit einem winzig kleinen Schuß Rum - gerade so viel, daß er unser Denken nicht beeinträchtigte. Es war für uns beide ein Genuß.

Peter nahm den Faden wieder auf. "Mir ist das Beispiel deshalb eingefallen, weil ich hier eine Parallele sehe zu der Frage, die dir dein Licht gestellt hat. Ein Verbot auszusprechen, ohne ein Übertreten des Verbotes feststellen oder ahnden zu können, ist verlorene Liebesmühe. Du ermunterst den anderen regelrecht dazu auszuprobieren, ob du überhaupt willens oder in der Lage bist, die Einhaltung sicherzustellen. Bist du das nicht, oder kannst du das nicht und stehst darüber hinaus jemandem oder mehreren gegenüber, die deine Anweisungen am liebsten ständig mißachten, kannst du dein ganzes Vorschriftenbuch, deine Geschäftsbedingungen, Merkblätter und Anweisungen in den Papierkorb werfen. Freiwillig ein Gebot oder ein Gesetz zu achten und es zu halten, setzt ein sehr hohes Verantwortungsgefühl voraus. Hinzu kommt, daß du das, was du tun und lassen sollst, als richtig und sinnvoll ansehen mußt. Sonst unterläßt du’s, sobald sich die Gelegenheit bietet."

"Und du mußt - im Idealfall - auch noch von der Kompetenz des Gesetzgebers überzeugt sein."

Wir spürten beide, wie sich die Maschinerie unseres Denkens langsam in Bewegung setzte und die Zahnräder anfingen ineinander zu greifen.

"Nun ist der Idealfall aber auf Erden nicht gegeben", machte ich weiter. "Im Himmel ist das der Fall, aber das nützt uns hier gar nichts. Jeder Staat muß daher dafür Sorge tragen, daß die Einhaltung der Gesetze - zumindest weitgehend - sichergestellt ist, um Chaos und Auflösungserscheinungen zu verhindern, denn die sind fast zwangsläufig die Folgen eines Autoritätsverlustes."

"Daß Regierungen, die keine natürliche Autorität besitzen, zur Durchsetzung ihrer Gesetze die Gerichtsbarkeit mißbrauchen und Gewalt einsetzen, ist eine andere Sache, die aber an der Richtigkeit unserer Überlegungen nichts ändert", sagte Peter. Nicht nur die Rädchen unseres Gehirns hatten ihre Arbeit aufgenommen, auch wir zwei begannen, uns wie Zahnräder gegenseitig voranzubringen.

"Wenn und weil eine Gesetzgebung immer auch eine überwachende Funktion haben muß, da unvollkommene Menschen mit im Spiel sind ..." Ich wußte, was ich sagen wollte, fand aber nicht gleich die richtigen Worte.

" Weißt du, wer deine ‘überwachende Funktion’ ist? Zum Beispiel die nette Politesse von nebenan, die dir ab und zu mal einen kleinen Liebesbrief im Werte zwischen zehn und dreißig Mark hinter deinen Scheibenwischer klemmt."

Ich mußte sie in Schutz nehmen. "Die ist aber auch nett."

"Lenk’ nicht vom Thema ab. Auch der Kriminalbeamte und verdeckte Ermittler, die Autobahnpolizei, der Geheimdienst und viele mehr - alle gehören dazu."

"Jetzt weiß ich, was ich sagen wollte. Unvollkommene Menschen sind auch im Spiel, wenn es um die Einhaltung der Gebote und darüber hinaus der gesamten geistigen Gesetzgebung geht. Es muß also auch im Zusammenspiel von Gott und Mensch eine wie immer geartete Instanz geben."

" Vielleicht eine zuständige Dienststelle, eine Behörde, irgendein Amt."

"Du bist und bleibst ein alter Ketzer", unterbrach ich ihn, um dann im gleichen Jargon weiterzumachen. "Vielleicht schreibt Gott doch in ein schwarzes und ein goldenes Buch deine Taten ‘rein?"

Wir wurden wieder ernst. "Natürlich ist es so nicht. Aber hat sich eigentlich mal einer darüber Gedanken gemacht, wie die Überwachung und Registrierung erfolgt, wenn es all das, was wir eben aufgezählt haben, nicht gibt? Peter, hat dir das mal jemand erklärt?"

"Nein, aber ich habe auch nie danach gefragt, weil ich mir keine Gedanken darüber gemacht habe."

"Genauso war es bei mir."

Wir hingen einige Augenblicke unseren Überlegungen nach. Ich schenkte erneut Tee ein.

Peter sponn den Faden weiter. "Die Notwendigkeit einer Beobachtung und Erfassung und Korrektur muß bestehen, nein, sie besteht, das ist Tatsache. Sonst wäre die Schöpfung schon längst im Chaos untergegangen, weil alle anstellen könnten, was sie wollten - und dürften doch mit zur Oma gehen. Außerdem hätte dein Licht dich nicht zu fragen brauchen."

"Die Hälfte der Lösung habe ich dir schon verraten", murmelte ich vor mich hin. "Hat das Licht mir nicht auch etwas von einem weiteren Aspekt der Seele gesagt?"

Das Telefon klingelte. Ich stand auf, nahm den Hörer ab und erkannte am Pfeifton, daß mir ein Fax geschickt wurde. Es war die Bestellung einer Buchhandlung aus der Nähe von Saarbrücken. "Da hat sich einer aber gewaltig in der Nummer geirrt." Ich hielt Peter das Fax hin. "Da werde ich morgen früh anrufen und denen sagen, daß das irrtümlich bei mir angekommen ist."

"Also so falsch angekommen finde ich das gar nicht." Peter gab mir das Fax mit einem breiten Grinsen zurück. "Ich glaub’, das Buch kaufe ich mir."

Ich schaute mir die Bestellung genauer an. "Wieso ist das nicht so falsch bei mir? Und was willst du mit ‘Die unverzichtbare Selbstkontrolle oder Wie man am schnellsten sein Unternehmen ruiniert’?"

"Ich will’s ja nicht für mich, ich schenke es dir."

Da endlich fiel bei mir der Groschen. Ich setzte mich wieder, und wir mußten beide lachen. "Selbstkontrolle ist das Stichwort", sagte Peter. "Anders kann es gar nicht sein. Da es eine Instanz gibt, und wir sie nicht in Form einer ‘unerklärbaren, himmlischen Behörde’ außerhalb von dir annehmen, kann sie nur in dir sein."

"In dir übrigens auch; ich bin nicht der einzige, der sich selbst kontrolliert." Das mußte ich ergänzend richtigstellen. "Bei jedem ist es so. Und jetzt weiß ich auch, was mein Licht gemeint hat mit ‘Hälfte der Lösung’. Unmittelbar zuvor war der Hinweis auf einen ‘weiteren Aspekt der Seele’ erfolgt. Es ist die Seele des Menschen, die nicht sichtbar, nicht fühlbar, aber vom ersten bis zum letzten Atemzug niemals von ihm gelöst, einen Teil seines Wesens ausmacht."

Ich erzählte Peter kurz über die Belehrungen, die ich dazu erhalten hatte, besonders das Beispiel des auf der Erde auftreffenden Lichtstrahls. Dann erinnerten wir uns an gemeinsame Gespräche, die viele Wochen zurücklagen. Wir hatten damals auf Anregung und mit Hilfe des Lichtes die Antwort auf die Frage gefunden, warum das viele Leid in der Welt ist, wenn es nicht als Strafe von Gott kommt. Peter hatte das Bumerang-Prinzip entdeckt, nach dem jeder Gedanke, jedes Wort und jede Handlung - einmal in die Welt gesetzt und hinausgeschickt - mit der Genauigkeit eines Schweizer Uhrwerks wieder zum Absender zurückkehrt.

In dem Zusammenhang war auch eine erste Aufklärung über die Begriffe Geist, Seele und Mensch erfolgt, und wir hatten erfahren, daß die Seele ein Energiekörper ist, in den der Mensch selbst ununterbrochen seine Daten und Befehle, Kommandos und Anweisungen eingibt. Auch Korrekturen zur Verbesserung sind nicht nur möglich, sondern sogar erwünscht. Ich war damals, das fiel mir bei dieser Gelegenheit wieder ein, über die Frage gestolpert: "Habe ich nun eine Seele, oder bin ich eine Seele? Oder bin ich meine eigene Seele?" Das war inzwischen durch das Bild des Lichtstrahls erschöpfend geklärt.

"Die eigene Seele als Kontrollinstanz! Das ist so genial, da fehlen mir fast die Worte", sagte ich. Deshalb sammelte ich einfach ein paar Gedankenfetzen. "Etwas, das du immer bei dir hast, zu dem kein anderer Zutritt hat, in das auch niemand etwas hineinschreiben kann außer du selbst, das in keinster Weise von irgend jemandem verändert werden kann ..."

Außer du läßt es zu, im Positiven wie im Negativen.

Ich hatte einen Moment still in mich hineingehört. Peter hatte dies bemerkt. Ich wiederholte die Aussage des Lichtes.

"Etwas, das auch unbestechlich ist", fiel Peter noch dazu ein, "das Polizei, Anklage, Verteidigung und Richter in einem ist und schließlich, das ist für mich das absolut Größte - das du selbst bist."

Ich schenkte den restlichen Tee ein. "Soll ich noch welchen machen?" Er winkte ab; er dachte nach.

"Somit ist dieses feinstoffliche Gebilde, meine Seele, nicht nur eine Realität. Zu dieser Überzeugung sind wir ja ohnehin schon lange gekommen. Sie erfüllt auch nicht nur die Aufgabe, nach meinem Tod der Träger meines Lebens zu sein, sondern - wie soll ich sagen - sie ‘mischt’ auch schon zu meinen Lebzeiten ganz schön mit."

"Möglicherweise viel, viel mehr, als wir bisher angenommen haben. Warum sagt einem das denn keiner?" Ich spielte den Entrüsteten.

"Aber du hättest es ja nicht geglaubt!" antwortete Peter gleicherart entrüstet.

"Du hast recht. Doch laß mich noch einmal an einen Gedanken anknüpfen, den wir gerade ausgesprochen haben. Ich war ein Leben lang der Meinung, ich sei es gewesen, der gedacht, geredet und gehandelt hat. Nun könnte dieses Bild ins Wanken kommen, wenn ich meine Seele dafür ganz oder teilweise verantwortlich mache und dabei vergesse, daß damit kein anderer gemeint ist, sondern ich selbst."

"Richtig. Machst du aber nicht, weil du es inzwischen besser weißt."

"Der Mensch wäre danach nur der Handelnde, das Äußere; der Antrieb dazu käme aus der Seele, dem Inneren. Da kann etwas nicht sein ...", ich zögerte. "Dann wäre ich ja Sklave meiner eigenen Seelenbeschaffenheit und müßte das ausführen, was sie mir vorgibt." (Das hatte ich doch schon einmal beim Thema "Eigenverantwortung" und dem Begriff "williger Knecht und souveräner Herr", fiel mir ein.)

"In gewissem Sinne sind wir das wohl auch, wenn ..."

" ... wenn nicht zwischen dem Anreiz oder Drang von innen und der Ausführung durch außen die Entscheidungsfähigkeit des Menschen geschaltet wäre, wobei seit Luther, vermutlich jedoch schon lange vor ihm, darüber diskutiert wird, ob der Mensch überhaupt eine Seele hat oder nicht." Auf eine verblüffende Weise schloß sich immer wieder der Kreis.

Für eine Weile sprach keiner von uns. Suchte Peter nach einem Ansatzpunkt, um noch ein Stück weiterzukommen? Ich sah im Moment keinen ... Da schaltete sich mein Licht ein.

Die Tatsache, daß die Seele unter anderem auch Kontrollinstrument ist, ist unter den Christen nicht bekannt, weil die Kirchen dies nicht lehren. Schon am Begriff der "Seele" scheiden sich die Geister eurer Theologen. Die Unkenntnis der überwachenden Instanz im Menschen selbst ist die Ursache für das Fehlen einer allgemein verständlichen und akzeptablen Darlegung der Sündhaftigkeit und des Umgangs damit. Wenn man sich nicht vorstellen kann, wie es möglich sein soll, daß "der liebe Gott im Himmel sich die Sünden der unzähligen Menschen merkt", dann ist es nicht mehr weit bis zum Schritt, eine solche Möglichkeit kategorisch abzulehnen. Deshalb glauben so viele Menschen auch, sündigen zu können, weil es doch keinen gibt, der ihre zumeist im Verborgenen begangenen kleinen und großen Taten bemerkt. Daß sie selbst es sind, die sich zur Rechenschaft ziehen werden und es oft genug auch zu Lebzeiten schon tun, weiß so gut wie keiner.

Peter hatte mich die ganze Zeit über angeschaut, ich hatte ihm nur zugenickt.

"Wenn das Seelische für das Verhalten eines Menschen maßgeblich ist, weil ihn das bewegt, drängt, steuert, motiviert, antreibt und Gutes oder Schlechtes tun läßt, dann müßte doch dem Inneren im Hinblick auf diese Wichtigkeit eine viel größerer Bedeutung beigemessen werden, als das im allgemeinen der Fall ist."

Die Bedeutung ist noch viel größer, als du dir das überhaupt vorstellen kannst. Es gehört zu unserem noch offenen Thema des Kampfes der Finsternis gegen das Licht. Der Zustand der Seele im Augenblick des Übergangs von der Materie in die feinstofflichen Bereiche bestimmt darüber, ob sie sich auf den Weg ins Licht machen kann, ob sie vorerst in hellen oder weniger hellen Welten lebt, oder ob sie gehalten wird von Kräften, denen sie zu Lebzeiten Macht über sich verliehen hat, weil sie deren Ideologien angenommen und sich deren Wert- oder besser Unwertvorstellungen zu eigen gemacht hat.

Es ist ein Kampf um jede Seele, und er wird mit dem Menschen zu seinen Lebzeiten geführt. So bereitet schlußendlich der Mensch selbst im Verlaufe seines Lebens den Zustand seine Seele vor. Der Geist Gottes spricht in sie, die Seele des Menschen, ebenso ununterbrochen ein wie die Dunkelheit dies mit flüsternden Versprechungen tut. Der Mensch entscheidet, welche inneren Anstöße er im Äußeren umsetzt. Und damit entscheidet er auch darüber - ob er es weiß oder nicht, spielt keine Rolle -, was im Anschluß an seine Handlungen dann umgekehrt von außen nach innen in seine Seele einfließt. So registriert er sich selbst, so überwacht er sich selbst, so richtet er schließlich über sich selbst.

"Ich danke dir", dachte ich, "wieder ein Teil. Das war’s dann wohl, nehme ich an - für heute."

Eure Nachtruhe ist gesegnet. Der Friede Gottes begleitet euch.

Ich ließ das Gehörte noch einmal in mir nachklingen und erzählte Peter dann davon; auch von dem Segensgruß für uns beide. Peter hatte eine so direkte, wenn auch lautlose Zwiesprache noch nicht miterlebt, er kannte das nur vom Hörensagen. Auch für mich war relativ neu, daß dies im Wachbewußtsein geschah, denn abgesehen von kleinen Hinweisen fanden längere Gespräche bisher fast ausschließlich nachts statt.

Uns schien, daß wir das Thema mit Hilfe des Lichtes für den Moment so weit ausgeschöpft hatten, wie uns das möglich war. Daher beschlossen wir, es für heute genug sein zu lassen. An der Tür fiel mir noch etwas dazu ein.

"Weißt du, nachts ist einmal der Begriff ’geistiges Immunsystem’ gefallen, ohne daß wir das bisher weiter vertieft haben. Das heute Besprochene gehört dazu. Ein seelisches Schwergewicht macht dich im Gegensatz zu einem Fliegengewicht klar, vertrauend-sicher, wachsam und stärkt deine innere Abwehr. Wirst du dann mal angegriffen, was nicht zu vermeiden ist und sogar zugelassen wird, dann entscheidet dein ‘geistiges Immunsystem’ darüber, ob du einen kleinen oder großen oder gar keinen Knacks kriegst. Ist es in der Lage, seine Aufgabe zu erfüllen, lebt es sich bedeutend leichter. - Glaube ich", hängte ich noch hintendran, um meinem Gewissen nicht schon wieder bestätigen zu müssen, daß ich noch übe.

*

Es war in der übernächsten Nacht, als mein Licht auftrat, mich mit seinen Strahlen zuerst sanft berührte und mich dann - eine kleine Ewigkeit lang, wie mir schien - ganz umfing. Das leichte, rhythmische Pulsieren sollte an das ewige Schwingen der Schöpfung erinnern.

Gebe dich dem Pulsschlag der Unendlichkeit hin, werde eins mit ihr. Du bist ein Teil davon. Erkenne dich als solches. Alle Geschöpfe sind Teil des Großen und Ganzen. Haben sie ihre Entwicklungsstufen hinter sich, erblüht in ihnen das Kind, das Gott dann nicht mehr nur als den Schöpfer, sondern als den Vater erkennt.

Ich lauschte, empfand, ließ mich tragen. Schließlich nahm das Licht die Strahlen, die mich eingeschlossen hatten, langsam zurück.

Heute komme ich als Bote in einer besonderen Mission zu dir. Der Vater läßt dir etwas ausrichten. N o c h tut Er es durch mich, doch der Zeitpunkt ist abzusehen, da Er direkt zu dir sprechen wird. I n dir spricht Er ohnehin seit Ewigkeiten; z u dir kann Er sprechen, wenn dein Herz weit genug aufgegangen ist.

Mein Herz machte einen Sprung. Ganz sicher würde es dazu noch viel zu hören und zu lernen geben, und heute war gewiß nicht der Zeitpunkt dafür. Das spürte ich und unterließ jede weitere Frage. Ich sagte jedoch:

"Was du mir gerade gesagt hast, habe ich anders ausgedrückt einmal gelesen: ‘Wie kann Ich sprechen, wenn du nicht hörst? Wie kannst du hören, wenn du nicht still wirst? Sei still und erkenne’."1)

So ist es. Wenn dein Herz weit genug aufgegangen ist, magst du zwar das Laute dieser Welt noch hören, aber du vernimmst es nicht mehr. Dafür vernimmst du die Stille deiner Liebe.

Es folgte eine Pause von nur zwei, drei Augenblicken, in denen sich die Strahlung des Lichtes veränderte. Sie wurde noch erhabener und majestätischer und war dabei gleichzeitig von einer unbeschreiblichen Lebendigkeit und Schönheit durchdrungen.

Ich Bin, der Ich Bin von Ewigkeit zu Ewigkeit. Nichts ist, das außerhalb von Mir ist. Nichts war oder wird jemals sein, außer in Mir. Alles Leben ist aus Mir, denn das Leben Bin Ich - Gott. Ich Bin kein Gott der Strafe, der Angst und der Verbote. Ich Bin auch kein Gott der Traurigkeit, der Mutlosigkeit und der Schwermut. Ich Bin der ewig gütige Vater Meiner Kinder. Und Ich, die Liebe, habe Meine Arme geöffnet, um jedes Meiner Kinder darin zu empfangen.

Lange, lange geschah nichts, außer daß sich die Strahlung wieder "normalisierte". Mein Licht ließ mir Zeit. Würde ich das soeben Erlebte jemals begreifen? Ich überließ es Ihm, meinem Vater; Er würde mir nicht etwas sagen oder sagen lassen, das in meiner Seele nicht den richtigen Platz finden würde.

Dein Herz läuft über, das ist gut und richtig so. Später wirst du Fragen haben. Laß dir Zeit damit. Wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, werden wir sie gemeinsam besprechen.

Ich dankte meinem Licht und schickte ihm, als es schwächer wurde, noch einen Liebesgruß hinterher. Dann überließ ich mich meinem Schlaf.