Bin Ich es den Du liebst?
von Hans Dienstknecht


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12.

Der Raum um mich herum weitete und erhellte sich. Vielleicht war es auch der Raum in mir, mein Inneres. Eigentlich war es mir egal. Entscheidend war, daß mein Licht erschien. Wir begrüßten uns.

Erinnerst du dich an den Bogen, über den wir vor einiger Zeit einmal gesprochen haben?

Ich erinnerte mich sehr gut, und das deshalb, weil unter anderem zu den damaligen Erkenntnissen die Aufklärung über die Inkarnationsvorbereitungen gehört hatte.

Wenn man es genau nimmt, haben wir zwei Bogen betrachtet: einen kleinen und einen großen. Der kleine betraf das Kind Gottes, das die Himmel verlassen hat, um die Dunkelheit mit seinem freien Willen zu erforschen, und um dann schließlich wieder in die Himmel zurückzukehren. Damit waren die Fragen nach dem Woher?, Warum? und Wohin? beantwortet. Der Bogen hatte sich zu einem Kreis geschlossen. Der Urzustand im Dasein des Kindes war wiederhergestellt.

Der zweite Bogen, den ich den großen nennen möchte, ist in der Praxis noch offen. Er betrifft die große Auseinandersetzung zwischen Licht und Finsternis.

"Mir ist etwas aufgefallen. Im Zusammenhang mit ‘Auseinandersetzung’ sprichst du von Licht und Finsternis. Wenn du jedoch vom ‘Kampf’ sprichst, sagst du ‘die Finsternis gegen das Licht’." Ich konnte gerade noch zurückhalten: "Hast du das auch bemerkt?" Es nützte nichts.

Ja, ich habe es bemerkt. Es ist keine Höflichkeit, daß ich der Finsternis den Vortritt lasse und sie zuerst nenne. Die Erklärung ist denkbar einfach: Die Finsternis kämpft gegen das Licht und nicht umgekehrt. (Ich hätte die Frage verdient, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin. Aber so etwas würde ich bei meinem Licht wohl nie erleben.) Eigentlich hättest du selbst darauf kommen können.

Ich stutzte, ging für einen Moment in mich und hatte dann die Antwort: Es war kein Vorwurf in dieser Aussage - wenn ich das doch auch schon könnte -, es war ein Ansporn, geistig nicht träge zu werden, sondern die inzwischen schon oft geübte Form des Verstandes-Gebrauchs gelegentlich wieder zu praktizieren.

"Okay", dachte ich ganz, ganz leise, um nicht wieder Anlaß für eine Unterbrechung zu geben.

Der große Bogen begann mit dem Fall, er endete - vom Geiste aus betrachtet - mit der Erlösertat Christi auf Golgatha. Auch wenn er auf der Materie noch weitergeht, so ist er doch bereits entschieden. Auf Golgatha wurde die Niederlage der Finsternis besiegelt. Dort leitete Jesus Christus die Wende ein. Der weitere Fall war gestoppt und die Rückkehr in die Himmel wurde wieder möglich. Darüber haben wir ausführlich gesprochen.

Ich nickte.

Deshalb kann ich sagen: Die Entscheidung i s t bereits gefallen. Der Kampf geht nur deshalb noch weiter, weil die Abgefallenen nicht mehr so weit vorausschauen können, um das bereits eingetretene - nicht das beschlossene! - Ende zu erkennen. Ihr eingegrenzter geistiger Horizont macht dies unmöglich. So können sie ihre Niederlage auch nicht akzeptieren.

"Hat die Gefahr jemals bestanden, daß nicht das Licht, sondern die Dunkelheit die Oberhand behalten würde?"

Die Menschen würden sagen: "theoretisch" und "auf dem Papier". So kann man, wie im Sandkasten, alles planen und durchspielen und zu den unterschiedlichsten Ergebnissen kommen.

Überraschend für mich kam die Frage, die mehr eine Feststellung war:

Du spielst doch Schach?

"Ja." Ich war gespannt, was jetzt folgen würde.

Weiß hat den ersten Zug? "Stimmt". Wenn nun Weiß, nur einmal angenommen, nur theoretisch und auf dem Papier, keinen Fehler macht, muß Weiß gewinnen. Oder?

"Theoretisch ja, praktisch kaum, weil man nicht spielen kann, ohne nicht irgendwann einen Fehler zu machen."

Wenn du den Figuren des Lichtes und der Dunkelheit auf einem Schachbrett die Farben zuordnen solltest, was würdest du sagen: Wer ist Weiß, und wer ist Schwarz?

Das schien mir eine leichte Frage zu sein. "Das Licht ist Weiß." Der Rest ergab sich von alleine.

Und an der Spitze von Weiß ...

" ... steht Gott."

Und Gott spielt fehlerfrei.

Ich habe noch Jahre später an dieses Beispiel denken müssen. Neben dem Inhalt war es auch die Art, wie es mir nahegebracht, fast zelebriert wurde, die mich faszinierte. Natürlich konnten Beispiele, so gut sie auch waren, nie die Beschreibung eines tatsächlichen Sachverhalts oder eines wirklichen Geschehens ersetzen. Aber gerade darum wurden sie ja verwendet: Um das, was als Original nicht verstanden wurde, im Lichte eines Beispiels vielleicht besser begreifen zu können. Ich brauchte nur an die Gleichnisse im Neuen Testament zu denken ... Das Beispiel mit dem Schachspiel auf jeden Fall hatte ich verstanden.

Nach einer kleinen Weile, die mir anscheinend zur "Erholung" zugestanden wurde, knüpfte mein Licht an die zuvor erwähnte Auseinandersetzung an, die sich im Geistigen abspielt.

Wenn auf der Erde zwei Nationen oder ihre Armeen gegeneinander kämpfen, so haben beide stets die Absicht, der anderen Seite möglichst große Verluste zuzufügen. Darum geht es im Kampf der Finsternis gegen das Licht nicht. Es k a n n gar nicht darum gehen.

Ich war wieder ganz der alte, dankbare und aufmerksame Zuhörer.

Weißt du warum?

"Ja." Soviel hatte ich schon verstanden. "Auf der einen Seite kämpft die Liebe, und die Liebe verletzt oder vernichtet nicht. Auf der anderen Seite kämpfen der oder die Widersacher Gottes, und die sind nicht - und waren nie - in der Lage, dem Licht Schaden zuzufügen." Das ließ in mir eine Frage auftauchen, über die ich vorher nie nachgedacht hatte. "Um was geht es dann eigentlich, wenn nicht um das gegenseitige Niederzwingen oder Auslöschen?"

Es geht um dich.

Das erschreckte mich im ersten Moment; doch ich kannte mein Licht gut genug, um zu wissen, daß eine auflösende, hoffentlich ermutigende Erklärung folgen würde. So war es.

Es geht um dich und um die Milliarden von Menschen, die diese Erde bevölkern, die sie schon bevölkert haben und noch bevölkern werden. Ihr seid der Einsatz in diesem "Spiel", dem ich nur des besseren Verständnisses wegen diesen Namen gebe, das aber wahrlich keines ist. Wenn ihr die Regeln nicht kennt, werdet ihr zum Spielball zwischen den Kräften. Heute ein bißchen "lieber Gott" und morgen ein wenig "die anderen Angebote sind auch ganz interessant". So seid ihr hin- und hergerissen, weil ihr auf der einen Seite das alles andere als langweilige "Abenteuer mit Gott" nicht kennt, auf der anderen Seite eure Bequemlichkeit und euer Desinteresse bestärkt werden, möglichst alles so zu belassen, wie es ist.

Wenn die Menschen einmal begriffen haben, daß sie keine Zuschauer in diesem Theater sind, sondern die Hauptdarsteller, denen ständig zwei Regisseure mit völlig entgegengesetzten Bestrebungen unterschiedliche Texte ins Ohr flüstern, dann wird es eine entscheidende Wende geben. Denn wer wird sich schon freiwillig seinem Henker ausliefern.

"Und die Lösung?" fragte ich.

Wir werden sie uns gemeinsam erarbeiten. Doch es gibt eine Kurzformel, die du kennst, und an die ich dich erinnere:

Willst du die Finsternis bekämpfen, dann kämpfe gegen deine Schwächen. Willst du sie besiegen, dann besiege deine Schwächen. So entziehst du ihr den Boden.

Jetzt erinnerte ich mich. Wir hatten einmal darüber gesprochen. "Was für eine phantastische Kurzformel!" dachte ich. "Und was für ein - im Prinzip - ‘einfaches’ Vorgehen! (‘Einfach’ ist gut!) Es trifft den Kern. Damit steht und fällt jede Inkarnation."

Du gibst mir das Stichwort für die nächste Überlegung. Laß uns den "großen Bogen" nicht aus den Augen verlieren. Ich möchte dir helfen, ihn zu erkennen und seine Bedeutung richtig einzuschätzen, auch wenn er in seinem ganzen Ausmaß von euch nicht zu überschauen ist.

Doch so gigantisch er auch ist, er besteht doch aus nichts anderem als aus den unzählbaren kleinen Bogen, die die Einzelschicksale, die jeweiligen Inkarnationen darstellen. Ohne Menschen und Seelen gäbe es keine Finsternis, weil ihr der Ackerboden fehlen würde. Eine Erde mit Menschen, die so friedvoll und geistig hochentwickelt sind, daß sie den Gegenkräften keine Nahrung in Form von Negativ-Energie mehr liefern, ist fast gleichbedeutend mit dem Ende der Dunkelheit.

Denn es wäre kaum noch als Leben zu bezeichnen, was für sie übrigbliebe, wenn sie - aller anderen Energien beraubt - zurückgeworfen würde auf die Flamme ihres Gottesfunkens, die sie selbst auf dieses Minimum reduziert hat.

Die Finsternis braucht Energie, und sie braucht ihren Machtbereich. Das Zentrum ihres Machtbereiches ist nun einmal die Erde, einer der schönsten, ehemaligen Himmelskörper der geistigen Welt, der mit dem Fall der Stützpunkt der Finsternis wurde. Ein Machtbereich aber, in dem es keine willfährigen Untergebenen gibt, ist nicht viel wert. Kannst du mit diesen Informationen die sich daraus ergebende Schlußfolgerung ziehen?

"Du hast mich gelehrt, daß es manchmal sinnvoll sein kann, sich in die Lage des Gegners zu versetzen. Ich will es versuchen." Es folgte eine kurze Denkpause, ehe ich sagte:

"Ich würde, wenn meine Existenz davon abhinge, alles, aber auch wirklich alles versuchen, um mir eine möglichst große Zahl von Untergebenen zu sichern. Und das nicht nur für die Spanne eines ihrer Leben, sondern nach Möglichkeit für viele Inkarnationen. Denn sobald es mir gelungen ist, sie in einer ihrer Inkarnationen - und sei diese mit noch so guten Absichten vorbereitet und angetreten worden - ein wenig oder sogar viel von ihrem Ziel abzubringen, steht ihre folgende Inkarnation unter einem für mich günstigeren und für sie ungünstigeren Stern. Sie treten sie nämlich geschwächt an. Auf diese Weise würde ich versuchen, meine Opfer für lange Zeit zu halten."

"Oder anders ausgedrückt", fiel mir dazu noch ein, "ich müßte sie daran hindern - nach Möglichkeit ununterbrochen -, das Geschenk des freien Willens, das sie mitbekommen haben, mal richtig auszupacken. So kämen sie auch nicht auf die Idee, daß sie ihren ursprünglichen Entschluß, die Himmel zu verlassen, aus freien Stücken heraus wieder rückgängig machen können."

Nicht schlecht, schien mir ein besonders farbiger Strahl des Lichtes zu sagen, der mich für einen Augenblick umfing. Das war aber auch die allerhöchste Form von Beifall, die mein Licht mir gelegentlich (sehr gelegentlich!) zollte.

Und welche Mittel würdest du einsetzen?

Jetzt wurde es schwieriger für mich. "Das einfachste wird sein", dachte ich, "ich schau mir verschiedene Stationen meines Lebens an." Mir war sehr wohl bewußt, wann und wo ich von meinem Weg abgewichen war, manchmal kleinere, manchmal größere Strecken.

"Laß mir einen Moment Zeit", bat ich. Ich hielt eine kleine Rückschau und betrachtete einige der in Frage kommenden Situationen. Dabei stellte ich fest, daß es dort, wo ich meinen Weg verlassen hatte, immer etwas gab, das mich anscheinend interessiert oder neugierig gemacht hatte, meine starke Aufmerksamkeit geweckt oder mich sogar fasziniert hatte. Auf jeden Fall war immer etwas in mir angesprochen worden, von dem ich oft nicht einmal wußte, daß es da etwas gab, das anzusprechen war. Das konnten relativ harmlose Neigungen, aber auch Charakterschwächen sein, Unwissenheit, alte Gewohnheiten, die ich schon längst hatte aufgeben wollen, falsche Ideale, ein Hang zum Fanatismus, Anerkennung-Heischen und vieles mehr. Der Schlüssel zu allem schien mir jedoch ...

"Ich hab’s. Der Schlüssel zu allem ist der Apfel aus dem Paradies - ihn so verlockend unter Ausnutzung der Schwächen des anderen darzustellen, daß er als ein lohnendswertes Objekt oder Ziel erscheint. Als Oberbegriff für all die großen und kleinen Formen der Motivation, den ‘Paradies-Apfel’ haben zu wollen, schreibe ich in Gedanken auf eine Tafel BEGEISTERUNG."

Und nun tue den nächsten Schritt. Das entspricht in etwa der Methode des Fragens- im-Rückwärtsgang; nur geht es diesmal vorwärts.

"Wenn ich den anderen dazu gebracht hätte, meinen Vorstellungen, Einflüsterungen oder Ideen zu folgen, könnte ich ihn ... müßte ich ihn ... bearbeiten und steuern, damit er auch weiterhin in meine Richtung geht". (So, wie der Nebel die torkelnde Gestalt in der Astralwelt beeinflußt hatte, fiel mir ein.)

Das gelingt dir aber nur, wenn der andere dazu bereit ist bzw. nicht anders kann. Ein einmaliges Vergehen, zumal dann, wenn es sich um etwas Harmloses handelt, wird aber nicht ausreichen, daß du ihn wie eine Marionette benutzen kannst.

"Also muß ich ihn zuvor ... Hilfst du mir? Ja! Danke ... zuvor von mir abhängig machen. Ich würde ihn, natürlich geschickt, so daß er es nicht bemerkt, dazu bringen, daß er nicht mehr oder nur noch sehr schwer zurück kann. Selbst dann nicht, wenn er es im Grunde seines Herzens möchte." Welche Mittel würde ich dafür einsetzen?

"Zuerst einmal die Angst. Angst kann man vor allem haben: vor Liebesentzug, Schmerzen, vor Verlust des Ansehens, der Existenz, des Vermögens, der Sicherheit, der Freiheit usw. Dann würde ich versuchen, den anderen - wenn es die Situation erlaubt - zu isolieren. Und schließlich würde ich ihn an mich binden; Gewohnheiten sind schnell zu eingefahrenen Geleisen geworden, die Trägheit des Menschen käme mir dabei zugute. Also ..."

Ich schrieb als zweites Wort auf meine Tafel ABHÄNGIGKEIT. Der Rest war einfach.

"Wenn ich ihn abhängig gemacht habe, ist die Voraussetzung für die MANIPULATION gegeben. Dann hätte ich ihn dort, wo ich ihn haben wollte. Könnte er mir jetzt noch viel an Verteidigung entgegensetzen?" Ich holte tief Luft. "Behüte mich Gott davor, jemals so etwas zu tun."

... in großem Stil zu tun. Es auch im kleinen Stil zu lassen, wäre zwar ebenfalls wünschenswert, doch das ist allzuoft menschlicher Alltag: In der Ehe, in der Erziehung, am Arbeitsplatz, überall dort, wo es darum geht, sich einen Vorteil zu verschaffen oder den anderen dazu zu bringen, sich entsprechend - deinen Wünschen entsprechend - zu verhalten.

Das also ist das Prinzip. Es hat unzählige Varianten, denn die Gegenseite geht mit größter Raffinesse vor. Du kannst damit "arbeiten" in den ganz persönlichen, zwischenmenschlichen Bereichen, in der Politik, in der Wirtschaft; du kannst es anwenden auf den einzelnen, auf Gruppen, auf ganze Völker, und du kannst damit Religionsanschauungen und Ideologien durchsetzen. Wenn du es geschickt anstellst - und so gut wie nie wird es von jemanden bemerkt, weil es so geschickt gemacht ist -, hältst du auf diese Weise große Teile der Menschheit gefangen.

"Und wenn man es hinausschreien würde in alle Welt ...", warf ich ein.

... würde es keiner glauben. Man würde dich auslachen, du würdest zum Gespött der Leute werden.

So mußte es Platon schon empfunden haben, kam es mir in den Sinn, als er sein berühmtes Höhlengleichnis schrieb.1)

"Du hast mir geholfen, das Prinzip zu erkennen", sagte ich nach einer Weile des Schweigens. "Ich glaube, daß ich es einigermaßen verstanden habe. Damit sind natürlich noch nicht alle Fragen beantwortet. Es wird ohnehin nicht möglich sein, daß ich alles verstehe und alle Zusammenhänge sehe, solange ich Mensch bin. Ich stelle daher so manches zurück, schon deshalb, weil ich die Erfahrung gemacht habe, daß entweder du es mir zum richtigen Zeitpunkt sagst, oder ich die Antwort auf eine andere Art und Weise bekomme. Doch etwas interessiert mich noch zu dem Thema, das wir heute besprechen. Darf ich?"

Ich freue mich über dein Interesse. Es gibt noch vieles dazu zu sagen; wir haben gerade erst die gröbsten Aspekte herausgearbeitet.

"Du hast von ‘unzähligen Varianten’ gesprochen. Das ist das eine. Das andere ist, daß sicher nicht immer und überall mit den drei Stufen ‘Begeisterung, Abhängigkeit und Manipulation’ gearbeitet wird, weil es nicht möglich ist oder sein muß. Ich vermute mal, daß dies nur dort zutrifft oder notwendig ist, wo es um die Verführung des einzelnen oder auch der Massen geht mit dem Ziel, sie fest in das satanische Geflecht einzubinden. Es wäre deshalb gewiß nicht richtig, allen oder den meisten Menschen zu unterstellen, sie hätten sich hereinlegen lassen und würden nun schon mit einem Bein im Sumpf stecken, nur weil sie dieses Bein noch nicht ‘im Himmel’ haben. Entschuldige, du weißt schon, was ich meine."

Das Beispiel ist gar nicht so schlecht. Würde jemand so denken, wäre er ungerecht und hätte die Grenzen hin zur Verurteilung schon überschritten. Die Varianten, die ich erwähnte, betreffen unter anderem die Situation, die du beschreibst, und in der sich viele Menschen befinden. Es gibt sowohl Varianten im Vorgehen als auch hinsichtlich ihrer Wirkungsweise. Nimm dein Beispiel und verliere dabei das angestrebte Ziel der Finsternis nicht aus den Augen, das da lautet:

Möglichst viele Menschen möglichst lange im Bereich der Materie - und später als Seelen in den Astralbereichen - zu halten. Denn hier findet der Kampf statt, hier hat sie Einfluß, hier erringt sie ihre kleineren und größeren Zwischen-Siege. Hat sich ein Mensch erst einmal auf den Weg gemacht, Jesus von Nazareth nachzufolgen - ich meine nicht, Seine Lehre zu hören und an Ihn zu glauben, sondern Ihm nachzufolgen -, dann verläßt er den Einflußbereich der Dunkelheit und kann von ihr nicht mehr erreicht werden. Das sind die Zwischen-Siege des Lichtes.

Wenn du also diese Absicht vor Augen behältst, ergeben sich die Antworten fast von alleine. Nur der geringste Teil der Menschen wird ganz in den Sumpf gezogen und damit zu bewußten Anhängern gemacht. "Halb hinein", das gelingt schon öfters. Soll man sich aber damit begnügen? Soll man die große Masse ziehen lassen?

Nein, wenn man sie schon nicht halb oder ganz in den Sumpf bekommt, kann man sie aber doch daran hindern, festes Land zu betreten.

"Man hält sie auf schwankendem Boden." Ich begann zu begreifen.

Wie würdest du vorgehen? Willst du es noch einmal versuchen?

"Ja." Eine kleine Pause folgte. "Ich gehe davon aus, daß meine vielen Mitmenschen sich nichts lieber wünschen, als glücklich zu sein, auch wenn nicht jeder definieren kann, was er darunter versteht. Mangels anderer Ziele und Erfahrungen, ich meine damit geistige, halten sicher die meisten ihre momentane Situation für ausreichend zufriedenstellend - abgesehen von denen, die von Hunger, Krankheit oder Sorgen geplagt werden. Ich meine jedoch die überwiegende Mehrheit in der westlichen Welt, die mit sich und ihren Umständen ganz gut zurechtkommt, und nicht die Armen und Ärmsten in der Dritten Welt."

Plötzlich tat sich in mir etwas wie ein Gedankenfenster auf, in das ich regelrecht hineinschauen konnte.

"Wenn ich jemanden halten will, damit er sich nicht in Richtung ‘lichtes Festland’ bewegt, muß ich ihn entweder so satt und zufrieden machen, daß er kein Interesse verspürt, nach anderen Dingen außerhalb seines Gesichtskreises zu schauen, oder ich muß seine Gelüste und seine Unzufriedenheit ständig anstacheln, so daß er auf Grund seiner Befriedigungsversuche nicht zur Ruhe kommt und dadurch genausowenig über seinen Gartenzaun hinaus blickt bzw. blicken kann."1)

Das ist das Prinzip des Kapitalismus’, der westlichen Welt. Gib im Überfluß, und der Mensch fragt nicht mehr nach seinem Weg.

"In den armen und unterentwickelten Ländern wird sich des gegenteiligen Prinzips bedient, das auch in den kommunistischen Ländern gegriffen hat und greift: dem Mangel. Die Menschen können nicht zur inneren Ruhe finden, weil sie von früh morgens bis spät abends gezwungen sind, für ihren kärglichen Lebensunterhalt zu sorgen."

In allen Fällen, sei es durch Sattheit, Ablenkung zum Zwecke der "Glücks"-Erfüllung oder durch den Überlebenskampf wird das gleiche Ziel erreicht: Eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung wird nicht für notwendig erachtet, nicht erkannt oder kann nicht genutzt werden ...

" ... mit der Folge, daß man auf der Stelle tritt", vollendete ich den Satz.

Und auf der Stelle treten heißt: Die Menschen bleiben der Finsternis zu einem großen Teil erhalten. Zumindest mal für die nächste Inkarnation, vielleicht auch darüber hinaus. Und dann sieht man weiter ....

"Die Methoden verfeinern sich; sie als Fallen zu erkennen, wird immer schwieriger. Der in höchsten Tönen gepriesene Fortschritt z.B. gehört auch dazu, wenn und weil man ihn mißbraucht und für Gold verkauft, was Blech ist ... Aber was soll man denn tun?" rief ich, zwar nicht aufgebracht, aber doch für einen Moment mutlos, als mir die unzähligen Menschen in den Sinn kamen, die dem allem ausgeliefert waren. Die hilfloser waren als ich, der ich mein Licht hatte. Wenn ich an die unüberschaubare Zahl derjenigen dachte, die guten Willens sind und die sehen wollten und würden, läge da nicht eine Binde auf ihren Augen. Oder an die Jugend, der man versucht, durch Musikvideos, Bands, Comedy, Yoga und Tanzen im Gottesdienst eine verdrehte Botschaft zu vermitteln ... wo doch der gelebte, und nicht nur der gehörte, gesungene und getanzte Weg d a s Abenteuer sein kann, wenn man ihn mit Christus, der in jedem wohnt, geht. Mehr Überraschungen kann ein Dasein, das man ohne Ihn lebt, wahrhaftig nicht bieten.

"Als ich gerade an die Jugend dachte, wurde ich an eine Aussage in ‘Maitreya - Christus oder Antichrist?’2) erinnert: ‘Die Jugend soll durch eine Erziehung auf falschen Grundsätzen und lügenhaften Lehren verdummt, verführt und verdorben werden.’ Das mag auf den ersten Blick weit hergeholt sein; nachdem ich bei dir jedoch lerne, tiefer als früher in die Dinge hineinzuschauen, ist mir eines klargeworden."

Ich holte erst einmal tief Luft, um meine Emotionen nicht überschäumen zu lassen. "Wer die Finsternis unterschätzt, wird von ihr geschluckt. Sie führt ihren Kampf mit wirklich allen Mitteln. Eines der schäbigsten ist für mich ... (‘bleib’ ruhig’) ... ihr Ansatz bei den Kindern und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche sollten, einer Baumschule ähnlich, von ihren Eltern langsam stark gemacht und vorbereitet werden auf das, was sie im Leben erwartet. Ich habe mir überlegt, wie ich vorgehen müßte, wollte ich ein Volk innerhalb von spätestens zwei Generationen aushöhlen oder unterwandern. Ich sag’ es dir."

Der Ferdinand, von dem ich schon ein paarmal angenommen hatte, es gäbe ihn nicht mehr, war dabei, die Oberhand zu gewinnen.

"Ich würde zuerst die Schwächen der Eltern ausnützen, die keine natürliche Autorität mehr haben, weil sie sich selbst und in der Folge natürlich auch den Kindern gegenüber nicht mehr konsequent sind. Dann würde ich eine Wohlstandsgesellschaft schaffen, in der Kinder und Jugendliche mehr und mehr Geld in die Hände bekämen. Der nächste Schritt wäre: Anreize modischer, technischer und unterhaltender Art zu schaffen, die die Kinder dazu bringen würden, ihr Geld dafür auszugeben. Und schon hätte ich sie.1)

Weißt du auch warum? Weil ihre eigene Unterscheidungsgabe, was richtig und falsch, sinnvoll und unsinnig, notwendig und überflüssig ist, noch nicht entwickelt ist, und die Eltern keinen Einfluß mehr haben oder nehmen. Also erwische ich sie zu einem Zeitpunkt, wo sie viel zu früh der Versuchung unterliegen müssen, weil ihr Verantwortungsbewußtsein noch nicht ausgebildet ist, noch gar nicht ausgebildet sein kann. Und sich vielleicht nie mehr richtig ausbilden wird. Die Schere ist bereits gefährlich weit auseinander gegangen: Auf der einen Seite die Möglichkeiten, die man ihnen bietet, und die sie wahrnehmen; auf der anderen Seite eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhandene, innere Reife. Ein Erkennen und richtiges Entscheiden ist da noch nicht möglich. Kannst du dir vorstellen, wie eine so verwöhnte und, man kann schon sagen verführte Generation die nächste Generation noch nach den ‘antiquierten’ Grundsätze der Liebe, Demut und Bescheidenheit erziehen kann, wenn sie sie selbst nicht mehr lebt?"

"Das war jetzt pauschal gesprochen, das sehe ich ein", fügte ich hinzu. "Aber es ändert nichts daran, daß es leider auf viele schon zutrifft. Dabei sind die Kinder und Jugendlichen die Verführten. Die Verführer sitzen irgendwo im Unsichtbaren." Jetzt war ich in Rage. "Das ist eine Riesensauerei."

Mein Licht berührte mich mit besonders prächtigen Strahlenspitzen. Es dauerte eine Zeit, bis ich wieder in meinem Inneren ruhte und schließlich als erster das Schweigen brach.

"Ich habe mir das, was wir vor meiner Rede besprochen haben, noch einmal durch den Kopf gehen lassen [ völlig überflüssig dieser Satz, ich war ja wie ein offenes Buch; vielleicht war er mir auch nur herausgerutscht, weil ich mich ein wenig erregt hatte] . Dabei ist mir etwas aufgefallen."

Es hätte mich gewundert, wenn es dir nicht aufgefallen wäre. (Na, bitte!)

"Wenn uns einer zugehört hätte, wäre er vermutlich zu der Überzeugung gekommen, seine Familie, sein Auto, sein Beruf, sein Häuschen - all das wäre ‘vom Teufel’, weil es eine Behinderung darstellt."

Darstellen kann.

"Gut, darstellen kann. Aber so kann es doch nicht sein. Dann könnte man ja nur als Eremit zu Gott finden."

Das könnte genauso eine Behinderung sein. "Jetzt brauche ich aber wieder deine Hilfe." Erinnere dich an das, was ich dir vor nicht allzulanger Zeit gesagt habe: Gott nimmt dir nichts, Er schränkt dich nicht ein, Er macht dich nicht arm, Er versagt dir deine Freude nicht, Er verbietet dir nicht den Umgang mit deinen Freunden, Er beansprucht keine Zeit, die du Ihm nicht freudig und freiwillig gibst. Solche Vorstellungen konnten entstehen und vermittelt werden, weil Er nicht erkannt wurde.

Der Weg ins Licht besteht aus kleinen Schritten, denen eine Entscheidung vorausgeht. Keiner wird verurteilt oder verdammt, wenn er diese Schritte nicht tun möchte. Das Kind bleibt geliebt, egal was es tut oder nicht tut. Viele von euch halten jedoch dieses Stehenbleiben auf schwankendem Boden schon für einen Schritt in Richtung Himmel, etwa nach dem Motto: Weil ich nicht falle, fliege ich schon. So ist es nicht. Dennoch versucht die Finsternis, diesen Eindruck zu vermitteln.

"Und du und all die anderen Geschwister aus dem Licht versuchen ununterbrochen, uns zu sagen, daß dieser Stillstand zwar nicht - wie soll ich sagen? - ‘sündhaft’ ist, daß aber Evolution etwas anderes bedeutet. Mir fällt dazu auch ein Satz ein: Unser Problem besteht nicht so sehr darin, daß wir ständig Böses tun, sondern darin, daß wir das Gute unterlassen."

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Das Gute - oft nur ein Lächeln, eine kleine Hilfe, ein nettes Wort, eine liebe Geste - sind die Schritte, von denen ich spreche. Sie können und sollen im Alltag getan werden, m i t - und nicht trotz - Familie, Auto, Beruf und Häuschen, wie du es zu nennen pflegtest. Sie sind vielfach ebenso unscheinbar wie die winzig kleinen Schritte, zu denen die Finsternis so gerne verleitet. Nur sind beide in ihrer Wirkung völlig unterschiedlich.

"Wer beginnt, die ersten Schritte zu tun, dessen persönlicher Bogen fängt an, sich langsam zu schließen ...

... bis er seine Vollendung in den Himmeln gefunden hat. Dann existiert der Teil des Bogens, der das Leben auf der Materie und in den Seelenbereichen betraf, nur noch in der Erinnerung. Die Dunkelheit hat, trotz größter Anstrengung und ungezählter Versuche, das Kind auf Dauer nicht halten können. So wird sie nach und nach einen nach dem anderen ziehen lassen müssen. Ungezählte sind schon von dannen gezogen, Ungezählte werden es noch sein.

Wenn ein kleiner Bogen nach dem anderen wegfällt, kann der große Bogen sich in seiner ungesetzmäßigen Form, die ihn weit aus den Himmeln weggeführt hat, nicht mehr halten.

Doch ich füge zur nochmaligen Erinnerung hinzu: Die Finsternis, das sind deine und meine Brüder und Schwestern. Sie sind trotz ihres gegensätzlichen Handelns nicht unsere Feinde. Alle Wesen des Lichtes und viele Menschen auf der Erde arbeiten daran, sie ins Licht zurückzuholen. Erst dann, wenn sich auch dieser Bogen im Kreis vollendet hat, um sich für alle Zeit zu schließen, wird unser aller Glück vollkommen sein.

Die Rückführung ist beendet. Die Erlösung hat ihren Abschluß gefunden. Der Fall ist nur noch Erinnerung.

"Weiß hatte den ersten Zug ..."

... und Weiß hat den letzten.

Wieder hatte sich ein Puzzleteil gefunden.