Die Lehre des Origenes

Wiedergeburt
  (Reinkarnation)                                                                                  nächste Seite 

Die Wiedergeburtslehre eines Pythagoras und Sokrates stammt, nach dem von Origenes zitierten Hermippos zu schließen, von den Juden und findet sich tatsächlich im Alten Testament (Weisheit Salomos 2,1 in Verbindung mit 2,5), ferner bruchstückhaft in undeutlich überlieferten Worten Jesu (Mat. 11, 14 und 17, 12; Mark. 9, 12).
Das ,Auf- und Niedersteigen‘ der Seelen aus bzw. in mehrfache(n) Erdenleben ist nach Origenes nicht dem Zufall anheim gegeben, sondern wird von der Gotteswelt geleitet. Es ist kein (ewiger) Kreislauf, wie die Pythagoreer annahmen- — was vor Christi Erlösungstat gar kein so abwegiger Gedanke war (vgl. Cels. V21). Das ,Auf- und Niedersteigen‘ der Seelen dient dem Aufstieg und der Wiedereingliederung der Abgefallenen in die himmlische Hierarchie. Dies kann jedoch nicht durch Zwang oder übermäßige Beeinflussung erfolgen, denn die Wesen haben ihren freien Willen. Gott wählt den Weg der Erziehung durch Erfahrung und Belehrung, und da der innerste Kern aller Geschöpfe göttlich ist, darf er der endlichen Wirkung seines Appells an ihre ursprüngliche sittliche Güte gewiss sein.

                                                                                        

Kommentar
des Arbeitskreises Origenes zu der immer wiederkehrenden Streitfrage:
Hat Origenes die Wiedergeburt tatsächlich gelehrt?

Origenes, in griechisch geschriebenes frühes Hauptwerk "peri archon", ist abgesehen von einigen wenigen Teilen, nicht mehr im Original vorhanden. Nur eine veränderte lateinische Übersetzung  "de principii" des Rufinus (345-411) wurde bis in unsere Zeit gerettet. Rufinus hatte nach eigenem Bekunden "anstößige Stellen" weggelassen oder verändert, wozu 200 Jahre nach Origenes u.a. die Wiedergeburtslehre gehörte. Dass Origenes diese in seinem Frühwerk  "peri archon"  tatsächlich vertreten hat, kann nur aus Zitaten anderer Autoren erschlossen werden.

Als zuverlässig bzgl. korrekter Zitate gilt Hieronymus, der auch selbst "peri archon" ins Lateinische übersetzte. Leider ist dieses Werk auch verloren gegangen. Das folgende Origeneszitat verdanken wir einer erhaltenen Schrift des Hieronymus "Gegen Johannes von Jerusalem" , Abschnitt 19 in der er Origenes mit Quellenangaben zitiert, die eine Textrekonstruktion dieser Stelle ermöglichte. In der Übersetzung des Rufinus fehlt sie. Die Theologen Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp  haben in bewundernswerter Kleinarbeit den Ursprungstext aus der Übersetzung des Rufinus und den Zitaten verschiedenster Autoren rekonstruiert. Daraus entstand 1976 das Buch "Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien" in  Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 

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princ II9,6-7 Seite 415 ist in der Übersetzung des Rufinus erhalten geblieben. In diesem Abschnitt benutzt
Origenes die alttestamentarische Geschichte von Esau und Jakob als Beispiel für ein (scheinbar) ungerechtes Leben. Dort erschleicht sich Jakob das Erstgeburtsrecht durch eine Täuschung.

Origenes schreibt dazu:
Ist etwa Ungere
chtigkeit bei Gott? Das sei ferne!.... Wir müssen nur annehmen, dass er [Jacob] auf Grund von Verdiensten eines früheren Lebens ....dem Bruder vorgezogen wurde.

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Die folgende Stelle steht  im rekonstruierten Text von peri archon:

Sophronius Eusebius Hieronymus (347-420)

princ I 5,3
entsprechend der Textrekonstruktion von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp nach Epistula 124,3 (den ganzen Abschnitt können sie hier lesen). 

Alle.. Geschöpfe gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach Art der Orte ...und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden.....Dabei wechselt er seinen Körper ebenso oft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom vom Himmel zur Erde wechselt.

 

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ein weiteres Zitate verdanken wir

Theophilus von Alexandrien (Bischof von Alexandrien, 385-412):
(princ I, 8  S.277-279 Anhang I, Nr. 7, Brief des Theophilus von Alexandrien ( gest. 412) , Auszug dort zitiert aus Epistula 98,11)

Was aber soll es bedeuten, wenn er [Origenes] erklärt, die Seelen würden wiederholt an Körper gefesselt und wieder von ihnen getrennt.. ?

Interessant ist, dass Theophilus nach der Bedeutung dieser Stelle fragt und keinen weiteren Kommentar dazu abgibt. Es scheint, dass Theophilus mit diesem Satz gar nichts anfangen konnte. Wiederholte Erdenleben waren damals - im Gegensatz zu heute- nie ein gesondertes Thema von theologischen Auseinandersetzungen, auch nicht in der Auseinandersetzung mit der Gnosis.

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Im einleitenden Text seines Ediktes von 543  schreibt

Kaiser Justinian (483-565)
(zitiert aus F. Diekamp, Die origenistischen Streitigkeiten im sechsten Jahrhundert, Verlag der Aschendorffschen Buchhandlung Münster 1899, S. 46): 

sinngemäße Zusammenfassung durch Diekamp: Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er [Origenes]  meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in Leiber gebannt. Nach dem Maß ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde- und leiblosen Zustand zurückzukehren. 

 

Diese Darstellung aus dem Einleitungstext des Ediktes gegen Origenes zeigt, dass Kaiser Justinian die Wiedergeburtslehre gekannt und dem Urheber Origenes zuordnet hat . In den darauf folgenden 9 Anathematismen (die sie hier nachlesen können) kommt aber kein Satz vor, der speziell die Wiedergeburtslehre mit dem Anathema belegt. Da mit dem Absatz 1 aber jegliche Präexistenz mit dem Anathemna belegt wird, ist damit auch die Wiedergeburtslehre gemeint gewesen.

Da Origenes 300 Jahre vor Kaiser Justinian gelebt hat, wird von den meisten Forschern angenommen, dass Justinian in erster Linie die zeitgenössischen Anhänger der origenistischen Lehre treffen wollte und man aus den Inhalten der 9 Anathematismen nicht schließen kann, dass Origenes dies genau so gelehrt hätte sondern dass dies eher ein Spiegelbild des zeitgenössischen Origenismus war.

Das Werk peri archon ist ein frühes Werk des Origenes, das vermutlich zwischen 212 und 215 in Alexandien entstanden ist. Nach einem Bericht des Hieronymus in Epistula 84,10 war dieses Werk von Origenes nur für einen kleinen Kreis gedacht, ein Freund und Gönner habe es erst später (etwa um 230), allgemein bekannt gemacht.

In den anderen, überwiegend späteren Schriften des Origenes  ( Contra Celsum I/20 und Matthäuskommentar III, VIII und X ) finden wir  Stellen in denen er sich in  polemischem Stil gegen die Wiedereinkörperung ausspricht, was gar nicht zu seinem besonnen und abwägenden Stil in "peri archon" passt. Die Antwort auf diese Widersprüchlichkeit muss offen bleiben. Ob Origenes in seiner Frühphase dem Gedanken einer Wiedergeburt nahe stand und später einen  Gesinnungswandel durchgemacht hat, ob er sich in diesen Schriften gegen nur einen endlosen Seelenwanderungsgedanken aussprach oder ob er nur im engem Kreis von ausgewählten gebildeten Schülern sein weitreichendes Weltbild ausgebreitet hatte das dem weniger Gebildeten nicht vermittelbar gewesen wäre, bleibt historisch im Dunkel. Eine weitere These dazu hat Till A. Mohr in "Kehrtet zurück ihr Menschenkinder" vorgelegt: >>Obwohl die Reinkarnationslehre nahtlos in das origeneische System integrierbar gewesen wäre, hat sich Origenes dagegen gewehrt, weil er den Widerspruch zum Glauben an die leibliche Auferstehung sah. Obwohl er sich selbst sehr schwer mit diesem Glauben  tat, hatte er trotzdem bis zu Ende daran festgehalten<<.

Unbestritten historisch verbürgt ist, dass Anhänger des Origenes die Lehre von der Wiedergeburt vertraten und sich dabei auf Origenes beriefen.

Aufgrund dieser og. Widersprüche und der unzureichenden Quellenlage wird von einigen Theologen behauptet dass Origenes zu keiner Zeit die Wiedergeburt je für möglich gehalten hätte und betonen die Stellen der späteren Texte. Sie argumentieren, Autoren der nächsten Jahrhunderte hätten zwischen dem Origenismus und Origenes nicht mehr unterscheiden können und so fälschlicherweise Origenes eine Lehre unterstellt, die erst die Origenisten entwickelt hätten.

Andere Meinungen, so auch unsere vom Arbeitskreis Origenes, betonen den frühen Origenes mit seinem in "peri archon" dargelegten schlüssigen Weltbild, das trotz aller Entstellungen der Texte noch erkennbar bleibt. Darin ist die Wiedergeburt eingebettet in seine Lehre von der Präexistenz, seiner Engellehre und seiner Lehre einer Kosmologie.   

Das Weltbild des Origenes kann in Kurzform so beschrieben werden: Der Ursprung aller  Wesen geht von Gott und nichtmateriellen harmonischen Lichtwelten aus. Die von Gott gegebene geistige Freiheit verbunden mit Schöpfungskraft führen bei einem Teil der Wesen zu Abweichungen vom Schöpfungsplan. Je disharmonischer die Schöpfungen werden, desto enger führt der göttliche Plan die Geschöpfe. In den extremsten Abweichungen, das heißt in der tiefsten Stufe des Falles, werden die ursprünglichen Engel zu Dämonen. Die materielle Welt (erst hier setzt die naturwissenschaftliche Kosmologie mit dem Urknall ein) schafft Gott als Ort der härtesten Läuterung und Bewährung. Darin inkarniert werden nach göttlichem Plan nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern primär die Rückkehrwilligen aller Fallstufen und zwar so oft, wie diese die harte Schule benötigen. Auf diesem Wege können auch aus Dämonen wieder Engel und Bewohner der harmonischen himmlischen Lichtwelten werden. Christus selbst musste als Mensch auf die Erde kommen, denn die Wiederverbindung der Abgefallenen mit Gott ist nicht möglich, ohne dass ihnen der Weg dahin vermittelt wird. Christus, so lehrte Origenes, zeigte uns diesen Weg mit der Substanz seiner Seele.

 

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