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Das Neue Weltbild

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

 

 

 

   

   

  

 


 

 


 

 

 


 

Prof. Dr. Werner Schiebeler 

Der Kirchenvater Origenes, das Konzil von Konstantinopel und die Frage der irdischen Wiedergeburt

Der Artikel stammt aus der Zeitschrift "Wegbegleiter"
vom November 1996, Nr. 6, I. Jahrgang, S. 248 ff.)

Was ist dran an der Behauptung zahlreicher esoterischer Gruppierungen, der Reinkarnationsgedanke sei den Urchristen nicht fremd gewesen? Gibt es geschichtliche Hinweise zur Bestätigung jenseitiger Behauptungen, die Vorstellung vom Menschen als in die Materie gefallenes, sühnendes Geistwesen sei Bestandteil frühchristlichen Denkens gewesen?- Unser Mitarbeiter Prof. Dr. Werner Schiebeler machte sich auf die Suche und fand interessante Ansätze in Arbeiten frühchristlicher und zeitgenössischer Theologen und Forscher. Lesen Sie zu den Themen "Reinkarnation" und "Geisterfall" auch folgende Beiträge: "Schuldloses Leiden - Warum?" von R. Passian (Zeitschrift "Wegbegleiter 3/96, S. 79) sowie von Dr. A. Däumling "Wie verträgt sich die christl. Erlösungslehre mit d. Reinkarnationsidee?" (Zeitschrift "Wegbegleiter 4/96, S. 166)

Wenn man davon ausgeht, dass der irdische Tod nicht das Ende des menschlichen Lebens ist, stellt sich natürlich die Frage, was dann weiterhin alles geschieht. Über die unterschiedlichen nachtodlichen Schicksale gibt es durch die Verbindung mit der jenseitigen Welt seit 150 Jahren umfangreiche Schilderungen. Eine Auswahl davon habe ich in dem Buch "Leben nach dem irdischen Tod. Die Erfahrungen von Verstorbenen" dargestellt. Doch ergibt sich die weitere Frage: Ist die irdische Geburt überhaupt der Beginn unseres Daseins, und wie und von wem wird unser Verhalten auf dieser Erde beurteilt? Sind Wohlverhalten oder begangene Verbrechen völlig folgenlos?


Über diese Fragen haben sich die Menschen schon sehr früh, bereits vor Jahrtausenden, Gedanken gemacht, die dann auch in die jeweiligen religiösen Vorstellungen eingegangen sind. Diese waren derart, dass das menschliche Dasein durch einen Schöpfungsakt der Gottheit in Erscheinung getreten ist. Die den Menschen mitgegebene Willensfreiheit führte aber dazu, dass die Geschöpfe nicht immer nach den Wünschen und Gesetzen des Gottes oder der Götter ihr Leben verbrachten. Begangene Vergehen oder Untaten erforderten aber gemäß dem Gerechtigkeitssinn der Menschen eine Bestrafung, Wiedergutmachung und Reue. Wo und wie aber sollte oder konnte das erfolgen?


Die Bestrafung oder Belohnung wurde in manchen religiösen Systemen (auch im christlichen) im Jenseits, im Himmel, Fegefeuer und Hölle angesiedelt. Im Himmel oder Paradies erfolgt die ewige Belohnung, im Fegefeuer eine zeitlich befristete "Freiheitsstrafe" mit anschließender "Begnadigung" und in der Hölle oder Tartarus die "lebenslängliche Freiheitsstrafe unter erschwerten Bedingungen" mit eingeschalteten Folterungen durch Feuertorturen. Hier war Reue zwecklos und Umkehr unmöglich. In diesem System hatten Einsicht in begangene Fehler, der Wille und die Möglichkeit zur Wiedergutmachung und die Rückgliederung auch des Schwerverbrechers, wenn er erst einmal gestorben war, keinen Platz. Außerdem sollte die jenseitige Einstufung nicht nur vom irdischen Lebenswandel des Verstorbenen, sondern in starkem Masse auch von der Wirksamkeit priesterlicher Zeremonien und bestimmter Opferriten abhängen.


Eine solche Regelung widersprach dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen und dem Glauben an eine liebende Gottheit. Aus diesem Grund entwickelte sich schon sehr früh eine andere Anschauung, nämlich die, dass das menschliche Erdenleben nicht einmalig und unwiederholbar ist. Je nach moralischem Erfolg oder Misserfolg eines beendeten Erdenlebens wird ein Verstorbener entweder sofort oder nach einer mehr oder weniger langen Übergangszeit im Jenseits in ein neues Erdenleben hineingeboren. Man spricht von Wiedergeburt, Reinkarnation, Metempsychose oder Seelenwanderung, wobei den verschiedenen Bezeichnungen oft etwas unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird. Die Form der Wiedereinverleibung, z. B. in den Körper eines Tieres (im Hinduismus als möglich angesehen) oder den eines hoch- oder tiefgestellten Menschen mit mehr oder weniger schwerem Schicksal, hängt von der Vorbelastung des Verstorbenen bzw. Neugeborenen ab. Man spricht von "Karma". Das Wort kommt aus dem Sanskrit und heißt zunächst "Tat, Werk, Handlung", bedeutet dann aber auch die Frucht oder Folge der Tat. Unter Karma versteht man eine Kette von Auswirkungen früherer, in anderen Existenzen begangener Taten. Karma ist die gute oder böse Vergeltungskraft moralischer oder unmoralischer Handlungen, ein Prinzip allgemeiner Ursächlichkeit, das unser gegenwärtiges Schicksal aus den guten Taten oder Verfehlungen früherer Existenzen auf dieser Erde oder in der jenseitigen Welt herleitet.


Diese Auffassung begann sich, soweit man das heute historisch noch nachweisen oder erschließen kann, zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends in etwas unterschiedlichen Formen auszubilden und war um 500 vor Chr. voll entwickelt. Bedeutende Vertreter dieser Lehre waren der Religionsstifter Siddhartha Gautama, genannt Buddha (um 560-480 v. Chr.), der griechische Philosoph und Mathematiker Pythagoras (580-500 v. Chr.) und seine Schule und der griechische Philosoph Platon (427-347 v. Chr.). Zur Zeit Christi war der Glaube an die Reinkarnation in allen damaligen Kulturvölkern bekannt, so im ganzen römischen Reich einschließlich Palästina und Griechenland, in Ägypten, Persien und Indien. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Menschen dieser Völker auch daran glaubten oder dass er Bestandteil der jeweiligen Staatsreligionen war. Z. B. ist in der überlieferten Mosaischen Religion von Reinkarnation keine ausdrückliche Rede. Doch hielten die Juden es zumindest für möglich, dass jemand, der schon einmal als Mensch auf dieser Erde gelebt hatte, in einer neuen Menschengestalt wiederkehren könne.


Diese Auffassung ergibt sich z. B. aus der Frage Christi an seine Jünger (Luk. 9, 18-21): " 'Für wen halten mich die Volksscharen?' Sie gaben ihm zur Antwort: 'Für Johannes den Täufer, andere für Elia, noch andere meinen, einer von den alten Propheten sei auferstanden.' " Christus weist diese Auffassungen nicht als absurd zurück, weil derartiges ja gar nicht möglich sei, sondern fragt einfach weiter: " 'Ihr aber, für wen haltet ihr mich?' Da antwortete Petrus: 'Für Christus, den Gottgesandten!' Da gab er ihnen die strenge Weisung und gebot ihnen, sie sollten das niemand sagen."


Auch gegenüber Johannes dem Täufer wird die Vermutung geäußert, dass er ein Reinkarnierter sei. Priester und Leviten aus Jerusalem sind zu ihm gesandt worden, um ihn zu fragen, wer er sei (Joh. 1, 19-23). Zunächst betont Johannes, dass er nicht Christus (also der Gesalbte, der Messias) sei. Aber dann fragen die Abgesandten weiter: "Was denn? Bist du Elia?" Doch Johannes bescheidet sie: "Nein, ich bin es nicht." Und mit Elia ist der alttestamentliche Prophet gemeint, welcher der grosse Warner und Ankläger König Ahabs (etwa 874-853 v. Chr.) von Israel war. Seine Wiederkunft war nämlich von dem Propheten Maleachi (um 450 v. Chr.) prophezeit worden. Diesen hatte Gott sagen lassen (Mal. 3, 22-24): "Wisset wohl: Ich sende den Propheten Elia, ehe der große und furchtbare Tag des Herrn kommt."


Sogar an König Herodes Antipas, den Vierfürst und zweiten Sohn König Herodes d. Gr., wurden in Bezug auf Jesus Christus ähnliche Vermutungen herangetragen. Von ihm heißt es (Luk. 9, 7-9): "Es hörte aber der Vierfürst Herodes von all diesen Begebenheiten und fühlte sich dadurch beunruhigt, denn manche behaupteten, Johannes (der Täufer) sei von den Toten auferweckt worden. Andere wieder meinten, Elia sei erschienen, noch andere, einer von den alten Propheten sei auferstanden."


Christus selbst geht davon aus, dass Johannes der Täufer der wiedererschienene Elia ist. Denn bei Matthäus 17, 9 heißt es nach Christi Unterredung mit den aus dem Jenseits erschienenen Mose und Elia in Gegenwart von Petrus, Jakobus und Johannes: "Als sie dann von dem Berge hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: 'Erzählt niemand etwas von der Erscheinung, die ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt. worden ist!' Da fragten ihn die Jünger: 'Wie können denn die Schriftgelehrten behaupten, Elia müsste zuerst kommen?' Er gab ihnen zur Antwort: 'Elia kommt allerdings und wird alles wieder in den rechten Stand bringen. Ich sage euch aber: Elia ist bereits gekommen, doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern sind mit ihm verfahren, wie es ihnen beliebte. Ebenso wird auch der Menschensohn durch sie zu leiden haben.' Da verstanden die Jünger, dass er von Johannes dem Täufer gesprochen hatte."


Hier kommt ein Widerspruch zur Aussage Johannes des Täufers zutage. Dieser stritt ja ab (Joh. 1, 19-23), der wiedererschienene Elia zu sein. Aber vielleicht wusste er es gar nicht, von welcher Herkunft er war, oder er wollte es nicht jedem auf die Nase binden.
Man kann aus diesen Berichten nicht schließen, alle Juden seien davon überzeugt gewesen, dass jeder Mensch mehrfach auf diese Erde zurückkehren müsse. Es geht aus ihnen aber sehr wohl hervor, dass man es allgemein für möglich hielt, ein verstorbener Mensch könne auch einmal in einer neuen Gestalt auf unserer Erde wiedergeboren werden.


Nun werden Kritiker der Wiedergeburtslehre sofort einwenden, das seien ja alles, wie der Gottesglaube überhaupt, nur menschliche Hilfskonstruktionen, also reines Wunschdenken. Nach Meinung des deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach (1804-1872), der einer der Wegbereiter des Marxismus war, ist Religion nur Schein an Stelle von Wirklichkeit, gegründet auf ein natürliches Abhängigkeitsgefühl. Die Vorstellung von Gott und einem ewigen Leben ist nichts als menschliche Einbildung, ein Produkt unserer schöpferischen Phantasie. Das jedenfalls geht aus seinen beiden Hauptwerken "Das Wesen des Christentums" (1841) und "Das Wesen der Religion" (1845) hervor. Diese Auffassung hat dann maßgeblich die Einstellung des Marxismus und Kommunismus zu Religion und Christentum geformt.


Dagegen haben die zahlreichen Jenseitskontakte, welche zu allen Zeiten erfolgten, die besonders aber in den letzten 140 Jahren durch Parapsychologie und Spiritualismus (die religiöse Ausprägung des Spiritismus) zustande kamen, gezeigt, dass tatsächlich eine jenseitige Welt und eine göttliche Ordnung vorhanden sind. Insofern ist es auch gut möglich, dass bereits im Altertum in Indien und Griechenland die Mitteilungen über eine mögliche mehrfache irdische Wiedereinverleibung über Jenseitskontakte erfolgten und nicht rein menschliche Erfindung sind.


Für das frühe Christentum wird von dem Kirchenvater Origenes (geb. um 185, gest. 254) und seiner Schule überliefert, dass sie die Reinkarnationslehre vertreten haben. Origenes war der erste bedeutende frühchristliche Theologe des griechischen Ostens. Er sichtete und bewertete die Schriften des Neuen Testamentes auf Fälschungen und Fehler und fertigte eine wissenschaftliche Übersetzung des Alten Testamentes aus dem Hebräischen ins Griechische an. In ihr verglich er den Urtext, dessen Umschreibung mit griechischen Buchstaben und seine (des Origenes) griechische Übersetzung mit den Übersetzungen des "Symmachus", des "Theodotion" und der "Septuaginta". Diese Bibel wurde die "Hexapla", d. h. die "Sechsfache", genannt, weil auf jeweils zwei gegenüberliegenden Seiten die sechs verschiedenen Texte in sechs Spalten nebeneinander standen und auf diese Weise ein müheloses Vergleichen möglich war. Leider ist diese Bibel bis auf 35 einzelne Bruchstücke nicht mehr erhalten. Auch sonst sind viele der Schriften des Origenes heute nicht mehr vorhanden, was auf die späteren Verfluchungen seiner Lehren und seiner Person in den Jahren 543 und 553 zurückzuführen ist.


Ein weiteres Hauptwerk des Origenes waren die vier Bücher "Peri archon" ("Über die Ursprünge" oder "über die ersten Dinge"), in denen er den ersten Versuch einer systematisch angelegten Darstellung des christlichen Glaubens unternahm. Auch dieses Werk ist in seiner vollständigen griechischen Urform nicht erhalten geblieben. Es ist uns nur in der im Jahre 398 in Italien von Rufin (oder Rufinus aus Aquileia) angefertigten lateinischen Übersetzung überliefert. Sie trägt den Titel "De principiis". Leider handelt es sich dabei nicht um eine wortgetreue Übersetzung, sondern schon um eine im "orthodoxen" Sinn erfolgte Überarbeitung, bei der besonders anstößige Stellen bereits entfernt wurden (H. Görgemanns u. H. Karpp: "Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien", S. 33).
Rufinus sagt selbst in dem Vorwort (Praefatio Rufini) zu seiner Übersetzung (Görgemanns/Karpp, S. 79): "Wo wir deshalb in seinen Büchern etwas fanden, was seinen eigenen rechtgläubigen Lehraussagen über die Trinität widersprach, die er an den übrigen Stellen gegeben hatte, so haben wir das als verfälscht und unzugehörig entweder ausgelassen oder nach der Vorschrift dargestellt, die wir bei ihm selbst vielfach bekräftigt fanden."


Insofern kann man heute nur bedingt sagen, in welchem Umfang Origenes eine Wiedergeburtslehre in dem bisher beschriebenen Sinn vertreten hat. Doch deutet die schriftliche Begründung des Ediktes von Kaiser Justinian gegen Origenes (F. Diekamp: "Die origenistischen Streitigkeiten im sechsten Jahrhundert", S. 46), das später genauer besprochen wird, darauf hin, dass dieser mehrfache Erdenleben des Menschen in Betracht gezogen hat.


Aber wo genaue Äußerungen fehlen, setzt leicht die Phantasie oder auch Erfindung ein. So führt z. B. der Autor K. O. Schmidt in seinem Buch "Kehret wieder Menschenkinder" (1970), S. 43 ein angebliches Origeneszitat ohne Seitenzahl der Fundstelle an, das folgendermassen lautet: "Jede Seele tritt in diese Welt entweder gestärkt durch die Siege oder geschwächt durch die Verfehlungen und Niederlagen ihres vorhergehenden Lebens. Ihre Stellung in der Welt als Träger von Ehren oder Verunglimpfungen ist durch ihre früheren Verdienste oder Verschuldungen bestimmt. Und ihr Wirken in der Welt heute bestimmt wiederum ihren Platz in dem Dasein, das diesem Dasein folgt. Jeder von uns eilt der Vollkommenheit zu. Wir sind gebunden, stets neue und bessere Leben zu führen, sei es auf der Erde oder auf anderen Welten. Erst unsere völlige Hingabe an Gott, die uns von allem Niederen reinigt, bedeutet das Ende unserer Wiedergeburten."
Dieses Zitat klingt wunderschön, nur habe ich es leider vergeblich in den "Vier Büchern von den Prinzipien" gesucht, aus denen es angeblich entnommen sein soll. Aber weil sich das Zitat so schön anhört, wird es auch von anderen Autoren mit Hinweis auf K. O. Schmidt übernommen. Wahrscheinlich hat Origenes wirklich so gedacht, nur nachweisen kann man es heute nicht mehr.


Was sich dagegen nachweisen lässt, ist seine Lehre von der "Präexistenz", weil darüber sogar Rufin in seiner Übersetzung der Bücher von den Prinzipien berichtet, weil sie auch seine Befürworter und Feinde anführen und weil sie Hauptpunkt der späteren Verfluchungen von 543 und 553 war.
Dahinter verbirgt sich folgende Lehre: Die Menschen auf dieser Erde sind nicht erst durch ihre irdische Geburt in das Leben getreten, sondern haben als Geschöpfe Gottes schon ein langes Dasein hinter sich. Einst waren sie Mitbewohner des Reiches Gottes, das von ihm zusammen mit einer Schar hoher Engel gelenkt wurde. An deren Spitze stand Gottes erster Sohn, der als späterer Mensch den Namen Jesus der Christus trug. Der Apostel Paulus nennt ihn (Kol. 1, 15): "das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung, denn durch ihn ist alles geschaffen worden, was im Himmel und auf der Erde ist, das Sichtbare wie das Unsichtbare, mögen es Throne oder Herrschaften, Mächte oder Gewalten sein: alles ist durch ihn und für ihn geschaffen worden."


Weiter war nach dieser Lehre der Christus nachfolgende Engelfürst ein Wesen, das bei uns Menschen unter dem Namen "Luzifer = Lichtträger oder Lichtbringer" bekannt ist. Dieser litt darunter, dass er Christus untergeordnet war, und er versuchte daher, einen Aufstand gegen ihn vorzubereiten. Dazu brachte er einen Teil der anderen Geisterfürsten und sonstigen Wesenheiten auf seine Seite. Als diese Umtriebe zu offener Rebellion ausarteten, gab Gott dem Erzengel Michael als Anführer der Himmlischen Heerscharen den Befehl, Luzifer mit seinem aufständischen Anhang aus dem himmlischen Reich zu vertreiben (Johannes Greber: "Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck", S. 270). Es ereignete sich das, was wir den "Engelsturz" nennen, und der an einigen Stellen im Alten und Neuen Testament erwähnt wird (Hes. 28, 1-19; 2. Petr. 2, 4; Judas 5). Christus sagt dazu (Luk. 10, 18): "Ich habe den Satan wie ein Blitz aus dem Himmel herabgestürzt gesehen." Und in der Offenbarung Johannes (12, 7) heisst es: "Es erhob sich dann ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen; auch der Drache und seine Engel kämpften, doch gewannen sie den Sieg nicht, und ihres Bleibens war nicht länger im Himmel. So wurde denn der grosse Drache, die alte Schlange, die da 'Teufel' und 'Satan' heisst, der Verführer des ganzen Erdkreises, auf die Erde hinabgestürzt, und seine Engel wurden mit ihm hinabgestürzt."


Diese abgefallenen Wesen sollten nun nicht für ewig aus Gottes Reich ausgeschlossen bleiben, sondern es sollte ihnen die Möglichkeit der Rückkehr eröffnet werden. Daher wurden für sie von Gott oder in Gottes Auftrag Besserungs- und Aufstiegsstufen geschaffen, worunter sich auch unsere materielle Erde befand und befindet. Nach dieser Lehre sind die Menschen auf unserem Planeten die Inkarnationen jener gefallenen Engel, die hier eine Bewährungs- und Besserungsphase durchlaufen, d. h. geprüft werden, ob sie in Zukunft wieder Gott und Christus untertan sein wollen und können.


Bei Origenes stehen diese Zusammenhänge sehr verstreut, sind langatmig dargestellt und ausserdem von Rufin vom "Schlimmsten" gereinigt worden. Daher bringe ich hier über die Präexistenzlehre des Origenes eine Zusammenfassung des Pseudo-Leontius von Byzanz. Er schreibt (Görgemanns/Karpp, S. 273): "Über die Präexistenz war seine (des Origenes) Meinung folgende: Vor den Äonen existierten Intelligenzen, die alle rein waren, sowohl die Dämonen, wie die Seelen, wie die Engel; sie dienten Gott und taten seine Gebote. Einer aber, der Teufel, da er freien Willen hatte, entschloss sich, Gott zu widerstehen, und Gott verstieß ihn. Mit ihm fielen alle anderen Mächte ab. Die, die schwer gesündigt hatten, wurden Dämonen; die weniger gesündigt hatten, Engel; die noch weniger gesündigt hatten, Erzengel, und so wurde jedem nach seiner eigenen Sünde vergolten. Es blieben die Seelen übrig, welche weder so schwer gesündigt hatten, dass sie Dämonen, aber auch nicht soviel leichter, dass sie Engel geworden wären. Gott schuf nun die gegenwärtige Welt, und fesselte die Seele an den Körper zu ihrer Bestrafung. Denn, so sagt er, 'Gott sieht nicht auf die Person' (vergl. Apg. 10, 34) und kann darum nicht diese Wesen, die alle dieselbe Natur haben (denn alle sind vernunftbegabt und unsterblich), teils zu Dämonen, teils zu Seelen, teils zu Engeln machen. Vielmehr ist es klar, dass er einen jeden nach seiner Verfehlung strafte und deshalb den einen zum Dämon, den anderen zur Seele, den anderen zum Engel machte. Denn wenn das nicht so wäre und die Seelen nicht präexistent wären, warum finden wir dann, dass einige Neugeborene blind sind, ohne gesündigt zu haben, während andere gesund auf die Welt kommen? Offenbar gibt es präexistente Sünden in den Seelen, für die einer jeden nach Verdienst vergolten wird."


Der evangelische Kirchenhistoriker Adolf von Harnack beschreibt Teile der Lehre des Origenes folgendermassen, wobei er in Fussnoten die Fundstellen in den Schriften des Origenes angibt, auf die er sich gerade bezieht (A. v. Harnack: "Lehrbuch der Dogmengeschichte", Bd. I, S. 693): "Nach Origenes werden alle Geister in der Form ihres individuellen Lebens schliesslich zurückgeführt, gereinigt und verklärt, um einer neuen Weltepoche zu dienen, nachdem das sinnlich Materielle durch Verklärung gleichsam ausgeglüht ist. Alle sinnlich-eschatologischen Erwartungen sind dabei von Origenes abgeschnitten worden. Der Formel 'Auferstehung des Fleisches' hat er sich angeschlossen, weil die Kirchenlehre sie enthielt und weil auch der Leib belohnt oder bestraft werden müsse. Er hat sie aber nach 1. Kor. 15 so gedeutet, dass ein corpus spirituale auferstehen wird, dessen Keim als eine ratio substantialis in dem sinnlichen Leib verborgen liegt und nun zu ungemessener und mannigfaltiger Entfaltung kommt. Alle Eigenschaften des Sinnlichen, ja auch alle Glieder, die sinnliche Funktionen haben, werden diesem neuen Leibe fehlen, und er wird, wie die Engel und Gestirne, in Lichtglanz strahlen. Unter Ablehnung der Lehre, dass die Seele mit dem Körper zunächst stirbt und sich auflöst, nahm Origenes an, dass die Seelen der Entschlafenen sofort in das (zur Erde gehörige) Paradies kommen und dort lehrend und lernend sich höher entwickeln. Die noch nicht geläuterten Seelen dagegen werden in einen Strafzustand geschickt, ein Straffeuer, das aber wie die ganze irdische Welt als ein Läuterungsort aufzufassen ist. Von hier aus vermochte Origenes auch den Anschluss an die kirchliche Lehre vom Gericht und den Höllenstrafen zu finden. Aber wie dem Clemens ist ihm das Läuterungsfeuer ein zeitweiliges und ein uneigentliches; es besteht in den Qualen des Gewissens. Schliesslich werden alle Geister im Himmel und auf Erden, ja selbst die Dämonen und der Teufel, vom Logos-Christus geläutert zur Gottheit zurückgebracht werden, aufsteigend von Stufe zu Stufe (durch die sieben Himmel hindurch). Daher hat Origenes diese Lehre als eine esoterische behandelt; 'für den gemeinen Mann genügt es zu wissen, dass der Sünder bestraft wird, und der Geistesmensch weiss, dass er als Geist mit Gott, dem Geiste, vereinigt sein wird, und dass das 'ewige Evangelium' nur diese Botschaft enthält."


Diese Lehre des Origenes erregte bei seinen Gegnern schon zu seinen Lebzeiten und in steigendem Masse in den folgenden Jahrhunderten lebhaften Widerspruch. Er führte schliesslich zu den sogenannten "origenistischen Streitigkeiten", die im sechsten Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten (F. Diekamp: "Die origenistischen Streitigkeiten im sechsten Jahrhundert." Sie wurden äusserlich erst durch das Eingreifen des oströmischen Kaisers Justinian beendet.


Was aber war dieser Kaiser für ein Mann? Geboren um 483 regierte er von 527 bis zu seinem Tod 565. Er ist also ungefähr 83 Jahre alt geworden. Während fast seiner gesamten Regierungszeit (bis 562) führte er Kriege: gegen die Perser, Hunnen, Slaven, Goten und Vandalen. Justinian betrieb und erreichte die gewaltsame Wiedervereinigung des Römerreiches, eroberte durch seinen Feldherrn Belisar Nordafrika, und Italien und überstand zahlreiche Revolten und Generalsverschwörungen. Auch verfasste er (oder liess unter seinem Namen verfassen?) einige theologische Schriften. Die herausragende Tat, die Justinian jedoch vollbrachte, war die Kodifizierung des römischen Rechtes, die seit dem 16. Jahrhundert als Corpus iuris civilis bezeichnet wird. Neben dem Kodex der Kaisergesetze (528/529) erschien 530-533 das Digesten- und Pandektenwerk. Justinian verfolgte dabei die Arbeit der Juristenkommissionen mit grösstem Interesse und gab entscheidende Anregungen. Das Digestenwerk ist das folgenreichste juristische Buch der Welt. Nach der Bibel ist kein Werk so oft herausgegeben und studiert worden wie die Digesten. Als "Gemeines Recht" galt das Corpus iuris civilis in Deutschland teilweise noch bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900.
Diesem auf Ordnung und Einheitlichkeit bedachten und religiös interessierten Kaiser waren natürlich theologische Streitigkeiten in seinem Reich völlig zuwider. Als daher antiorigenistische Gruppen ihm eine Klageschrift, versehen mit Auszügen aus "de principiis", einreichten, griff er höchstpersönlich ein (Diekamp, S. 41 f, Görgemanns/Karpp, S. 34; v. Hefele, S. 786 f). Im Januar des Jahres 543 erliess er ein Edikt gegen Origenes und seine Lehren. Den wesentlichen Inhalt gebe ich nach der Darstellung des Münsteraner Theologiedozenten Franz Diekamp wieder (Diekamp, S. 46). Dieser beruft sich auf "Iustiniani Liber adversus Origenem" bei Mansi IX, Sp. 488 D - 533 E und schreibt:
"Das kaiserliche Edikt ist eines der wichtigsten Dokumente der Religionspolitik Justinians und zugleich ein getreuer Ausdruck der unter den Antiorigenisten herrschenden Anschauungen und Gesinnungen. In kurzen Zügen lässt sich sein Inhalt wie folgt wiedergeben: Der Kaiser beteuert im Eingang, es sei stets seine erste Sorge, mit Gottes Hilfe den Glauben rein zu erhalten und der Kirche den Frieden zu sichern. Deshalb erachtete er es auch jetzt für seine Pflicht einzugreifen, da er vernommen habe, dass gewisse Personen dem Origenes und seinen Lehren anhängen, Lehren, die nicht mehr christlich, sondern heidnisch, manichäisch und arianisch zu nennen seien. Wagt dieser Mann es doch, die heilige und wesensgleiche Trias zu lästern und zu sagen, der Vater sei grösser als der Sohn, der Sohn grösser als der heilige Geist und der heilige Geist grösser als die anderen Geister. Er behauptet, der Sohn könne den Vater, der heilige Geist den Sohn nicht sehen; der Sohn und der heilige Geist seien Geschöpfe; was wir im Vergleich zum Sohne, das sei der Sohn im Vergleich zum Vater. Die göttliche Macht hält er für begrenzt, alle Gattungen und Arten für gleichewig mit Gott. Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in Leiber gebannt; nach dem Masse ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde- und leiblosen Zustand zurückzukehren. Er nimmt auch verschiedene Welten an, die teils schon vorübergegangen sind, teils noch kommen werden."


"Wer wird nicht, fragt der Kaiser, von Entsetzen erfasst, wenn er von diesem Übermass der Gottlosigkeit hört? Alle Häretiker sind wegen der einen oder der anderen Irrlehre aus der Kirche ausgestossen worden; welcher Christ mag also dem Origenes anhängen wollen, der in seinen Schriften so viele Lästerungen vorgetragen und fast allen Ketzern so viel Stoff zu ihren verderbenbringenden Lehren dargeboten hat und deshalb schon vor alters von den heiligen Vätern mit dem Anathema (d. h. der Verfluchung) belegt worden ist? Zwar hat er auch einige wahre Dogmen in seine schlechten Bücher aufgenommen. Aber dieselben sind eben nicht sein Eigentum, sondern das der Kirche; und nur aus böser Absicht hat er so gehandelt und seine abscheulichen Lehren besonders in seine Erklärungen der heiligen Schriften eingestreut, um arglose Seelen desto leichter zu täuschen. Plato ist sein Lehrmeister gewesen; Arios hinwieder hat von ihm gelernt; dem Manichäer steht er an Gottlosigkeit nicht nach."


Diekamp berichtet im Verlauf zweier weiterer Seiten noch Zusätzliches über den Inhalt des Justinianischen Ediktes und führt dann wörtlich die abschließenden zehn Verfluchungen (Anathematismen) auf, von denen ich hier nur die für unser Thema wichtigen wiedergebe (Diekamp, S. 49; Görgemanns/Karpp, S. 823; v. Hefele, S. 788):

  • 1. "Wenn jemand sagt oder meint, die Seelen der Menschen präexistieren, sie seien nämlich zuvor Geister und heilige Kräfte gewesen, haben dann aber, der göttlichen Anschauung überdrüssig, sich zum Schlimmeren gewendet, und seien, weil dadurch die göttliche Liebe in ihnen erkaltet sei, Seelen genannt und zur Strafe in Leiber herniedergeschickt worden, so sei er Anathema (verflucht).

  • 2. Wenn jemand sagt oder meint, dass die Seele des Herrn präexistiert habe und vor der Menschwerdung und der Geburt aus der Jungfrau mit dem Gott Logos vereinigt gewesen sei, so sei er Anathema.
    ..........

  • 9. Wenn jemand sagt oder meint, die Strafe der Dämonen und der gottlosen Menschen sei eine zeitliche und werde einmal ein Ende haben, mit anderen Worten, es werde eine Apokatastasis (griech. = Wiederherstellung. Gemeint ist damit die Rückkehr aller zu Gott) der Dämonen oder der gottlosen Menschen eintreten, so sei er Anathema.

  • 10. Anathema (Fluch) auch dem Origenes, der auch Adamantios heisst, der dieses gelehrt hat, samt seinen abscheulichen, verfluchten und lasterhaften Dogmen, und jeder Person, die dieses denkt oder verteidigt oder überhaupt auf irgend eine Art zu irgendwelcher Zeit hierfür einzutreten wagt."

 

Zusätzlich zu seinem eigenen Edikt verlangte Justinian von dem Patriarchen Menas die Einberufung einer (lokalen) Synode in Konstantinopel (C. J. v. Hefele: "Conciliengeschichte. Nach den Quellen bearbeitet, S. 790), welche die Verfluchungen des Kaisers zu bestätigen hatte. Die Synode wurde noch im Jahre 543 abgehalten. Alle Teilnehmer, sowie später weitere Patriarchen und Bischöfe, unterschrieben das Edikt (Diekamp, S. 50; Görgemanns/Karpp, S. 35). Ausserdem wurde die Zustimmung des römischen Papstes Vigilius (537-555) eingeholt. Es kam also eine Verdammung des Origenes und seiner Lehren durch die Gesamtkirche zustande, wenn auch nicht durch ein ökumenisches Konzil. Auch mag manche Unterschrift unfreiwillig geleistet worden sein (Diekamp, S. 50 u. 137).


Das Edikt und die Verfluchungen beseitigten den Origenismus in Palästina jedoch nicht (Görgemanns/Karpp, S. 34). Im Jahre 553 berief Justinian die christlichen Kirchenfürsten zum 5. ökumenischen Konzil nach Konstantinopel ein. Der Zweck war die Schlichtung theologischer Streitfragen, des sogenannten "Dreikapitelstreites". Das Konzil begann am 5. Mai 553 (Diekamp, S. 132; v. Hefele, S. 854). Vor der offiziellen Konzilseröffnung fanden erneut Verhandlungen über Origenes und seine Lehre statt, wobei dieselben Bischöfe versammelt waren, die später das 5. Konzil bildeten (Diekamp, S. 137). Zu den dabei erneut erfolgten (diesmal) 15 Verfluchungen gab Papst Vigilius im voraus seine ausdrückliche Zustimmung. Sie waren zwar kein offizieller Bestandteil des 5. ökumenischen Konzils, wurden aber doch von der Gesamtkirche gebilligt. Manche Kirchenhistoriker rechnen übrigens diese erneuten 15 Verfluchungen bereits der Synode von 543 zu (v. Hefele, S. 790).


Von den 15 Verfluchungen der 165 heiligen Väter des 5. heiligen Konzils in Konstantinopel (Görgemanns/Karpp, S. 825) lauten die ersten sieben, die für unsere Betrachtung hier wesentlich sind:

  • 1. "Wenn einer die erdichtete Präexistenz der Seelen und ihre daraus folgende phantastische Wiederherstellung vertritt, so sei er verflucht (griech. "anathema esto").

  • 2. Wenn einer sagt: Der Ursprung aller Vernunftwesen seien Intelligenzen ohne Körper und Stoff gewesen, zahllos und namenlos, und sie alle hätten eine Einheit gebildet durch die Identität der Substanz, der Kraft und Wirksamkeit und durch ihre Einung mit dem Gott-Logos und seine Erkenntnis; dann habe sie Überdruss erfasst an der Schau Gottes; sie hätten sich zum Schlechteren gewendet, je nachdem wie sehr eine jede dazu hinneigte, und hätten Körper angenommen, feinere oder dichtere, und einen Namen zugeteilt bekommen - denn es gibt Unterschiede sowohl der Namen wie auch der Körper bei den oberen Mächten -, und so seien sie teils Cherubim, teils Seraphim, teils Fürstentümer, Gewalten, Herrschaften, Throne, Engel und was es sonst an himmlischen Ordnungen gibt, geworden und benannt worden - so sei er verflucht.

  • 3. Wenn einer sagt: Die Sonne, der Mond und die Sterne hätten ebenfalls zu der gleichen Einheit der Vernunftwesen gehört und seien durch eine Wendung zum Schlechteren das geworden, was sie sind - so sei er verflucht.

  • 4. Wenn einer sagt: Die Vernunftwesen, die von der Liebe zu Gott erkalteten, seien an dichtere Körper gebunden worden, wie wir sie haben, und seien Menschen genannt worden; die aber, die zum Gipfel der Schlechtigkeit fortgeschritten seien, seien an kalte und finstere Körper gebunden worden, sie seien und hiessen Dämonen oder Geister der Bosheit (vergl. Eph. 6, 12) - so sei er verflucht.

  • 5. Wenn einer sagt: Aus dem Stand der Engel und Erzengel entstehe der Stand der Seelen, aus der Seele dann der Stand der Dämonen und Menschen, aus dem menschlichen wieder Engel und Dämonen; und jede Ordnung der himmlischen Machte sei entweder ganz aus den höheren oder aus den niederen (Wesen) entstanden oder aber aus den höheren und den niederen - so sei er verflucht.

  • 6. Wenn einer sagt: Das Geschlecht der Dämonen sei zwiefach in Erscheinung getreten, es sei zusammengesetzt aus menschlichen Seelen und aus höheren Geistern, die hierhin herabgesunken seien; nur eine einzige Intelligenz aus der ganzen angeblichen Einheit der Vernunftwesen sei unerschüttert in der Liebe und Schau Gottes geblieben, sie sei zum Christus und König aller Vernunftwesen geworden und habe die ganze körperliche Natur ins Dasein gerufen, den Himmel, die Erde und was dazwischen ist; der Kosmos habe Elemente, die schon vor seinem Dasein existiert hätten: das Trockene, Feuchte, Warme, Kalte sowie die Idee, nach der er geformt sei, und erst auf Grund davon sei er entstanden; nicht die hochheilige und wesenseine Dreifaltigkeit habe die Welt geschaffen, und deshalb sei diese geworden, sondern der sogenannte Schöpferische Nus (griech. = Vernunft, Geist, Wille), der vor der Welt existiert und der Welt selbst das Sein verliehen habe, habe sie als Gewordene hingestellt - so sei er verflucht.

  • 7. Wenn einer sagt: Christus, der, wie es heisst, in göttlicher Gestalt war (vergl. Phil. 2, 6) und vor aller Zeit mit dem Gott-Logos geeint war, habe sich in den jüngsten Tagen entäussert (vergl. Phil. 2, 7) zum Menschlichen, da er Mitleid hatte mit dem, wie sie sagen, "vielzerteilten Fall" der Wesen, die zur gleichen Einheit gehörten; und in der Absicht sie zurückzuführen, sei er zu allen gekommen, er habe sich in verschiedene Körper gekleidet und verschiedene Namen angenommen, er sei allen alles geworden (vergl. 1. Kor. 9, 22), unter Engeln ein Engel, unter Mächten eine Macht, und unter den anderen Ordnungen und Arten der Vernunftwesen habe er die zu einer jeden passende Gestalt angenommen; endlich habe er 'ähnlich wie wir Fleisch und Blut erhalten' (vergl. Hebr. 2, 14) und sei auch für die Menschen Mensch geworden - und wenn einer nicht bekennt, dass der Gott-Logos sich entäußert hat und Mensch geworden ist - so sei er verflucht."

     

Damit war für die (damals noch vereinte) christlich-katholische Kirche das Thema "Präexistenz" und "Wiedergeburt" abgeschlossen. Es fällt auf, dass in der Übersetzung und Bearbeitung des Rufinus und in den Verfluchungen von 543 und 553 der Begriff der mehrfachen irdischen menschlichen Wiedergeburt nicht auftritt. Dagegen kommt Kaiser Justinian in dem einleitenden Text seines Ediktes von 543 ausdrücklich darauf zu sprechen, indem er sagt (Diekamp, S. 46): "Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er (Origenes) meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in Leiber gebannt. Nach dem Maß ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde- und leiblosen Zustand zurückzukehren." Mit diesen Worten betont Justinian, dass Origenes eine vollständige Wiedergeburtslehre vertreten hat.


Wie Origenes darauf gekommen ist, entzieht sich unserer Kenntnis. War es die Wiederaufnahme alten Gedankengutes aus seiner griechisch geprägten Umwelt (er selbst war Ägypter aus Alexandrien), waren es eigene gedankliche Schlussfolgerungen oder war es Wissen, das er oder Freunde oder Vorgänger von ihm aus einem Jenseitsverkehr gezogen hatten? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall war das Thema "Wiedergeburt" seit 553 für die Christenheit äußerlich für 1300 Jahre vom Tisch. Erst der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommende neuzeitliche Spiritismus und Spiritualismus belebte für Christen das Thema erneut.

 

Prof. Dr. Werner Schiebeler

 

 


Literaturangaben
Diekamp, F.: Die origenistischen Streitigkeiten im sechsten Jahrhundert, Verlag der Aschendorffschen Buchhandlung, Münster 1899
Görgemanns , H. u. Karpp, H.: Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976
Greber, J.: Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck, J. Greber Memorial Foundation, 139 Hillside Avenue, 10. Aufl., 1987, Teaneck, N.J. 07666, U.S.A. (Wenn dieses Buch über den Buchhandel nicht erhältlich ist, kann es über den Verlag Martin Weber, D-77746 Schutterwald bezogen werden.)
Harnack, A, v.: Lehrbuch der Dogmengeschichte, 3 Bde., Verlag J. Mohr, Tübingen, 5. Aufl. 1931
Hefele, C. J., v.: Conciliengeschichte. Nach den Quellen bearbeitet, Herdersche Verlagshandlung, Freiburg, 2. Aufl. 1875
Ludwig: "Origenes und die Präexistenz", Psychische Studien, Jahrgang XXXXIII/1916, S. 247-258
Schiebeler, W.: Der Tod, die Brücke zu neuem Leben, Verlag Die Silberschnur, Melsbach/Neuwied 1988
Schiebeler, W.: Zeugnis für die jenseitige Welt, Verlag Die Silberschnur, Melsbach/Neuwied 1989 
Schiebeler, W.: Leben nach dem irdischen Tod. Die Erfahrungen von Verstorbenen, Verlag Die Silberschnur, Melsbach/Neuwied 1989


 

"Schuldloses Leiden - Warum?" von R. Passian (Zeitschrift "Wegbegleiter 3/96, S. 79) 

Dr. A. Däumling "Wie verträgt sich die christl. Erlösungslehre mit d. Reinkarnationsidee?" (Zeitschrift "Wegbegleiter 4/96, S. 166)