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Professor George Alexander Albrecht
im Gespräch

Interview mit Prof. Albrecht.
Das Gespräch führt  Alois Serwaty vom Netzwerk Nahtoderfahrung

 

Auszug aus dem Buch
Begegnung mit Gott? -Nahtoderfahrung und Mystik
Tagungsband 2009 des Netzwerkes Nahtoderfahrung
Santiago Verlag Goch ISBN 978-3-937212-41-8;

Abdruck mit frdl. Genehmigung von Alois Serwaty


Das Fenster zum Himmel war offen

 

George Alexander Albrecht ist Dirigent. Als Generalmusikdirektor des Nationaltheaters und der Staatskapelle Weimar dirigierte Albrecht zum Jahreswechsel 2001/2002 trotz eines starken Infektes das Neujahrskonzert in Weimar. Dabei kam es zum physischen Zusammenbruch, verbunden mit einer Nahtoderfahrung. Das Gespräch im April 2010 in Weimar mit Alois Serwaty, der sich selbst als „Nahtod-Beschenkter“ versteht, über diese Erfahrungen erfolgte auch vor dem Hintergrund einer kritischen Operation, die Albrecht erst wenige Monate vor dem Gespräch überstanden hatte. George Albrecht ist der Sohn des Bremer Arztes und Psychologen Carl Albrecht, der sich nicht nur als Mediziner mit mystischen Phänomenen wissenschaftlich beschäftigte, sondern selbst Mystiker war. So konnte diese Biographie im Gespräch nicht außen vor bleiben. Es folgen Auszüge aus dem Gespräch.

A.S. Ein Sterbeerlebnis, eine Nahtoderfahrung ist zunächst einmal ein sehr persönliches, intimes inneres Erleben eines Menschen. Man kann das Erlebnis schildern, man kann den Prozess der Verarbeitung, des Umgangs damit, die Integration dieser Erfahrung in das eigene Leben, darüber kann man berichten, aber die Erfahrung selbst bleibt immer die eigene Erfahrung. Sie wird nie die des Anderen.

G.A. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das sagen.

Welchen Sinn macht dann ein solches Gespräch, welchen Sinn machen die Veröffentlichungen dieser Berichte oder Vorträge darüber, wenn die subjektive Seite dieser Erfahrungen nicht oder nur bedingt objektivierbar und vermittelbar ist?

Alles, was einen während eines solchen Erlebnisses begegnet, hat einen Charakter der Authentizität, dass man niemals zweifeln wird an dem, was man erlebt hat. Das, was man einmal blitzartig geschaut oder erkannt hat, wird man nicht zu Markte tragen und es eben auch nicht vermarkten, sondern für sich persönlich als wirkliches Heiligtum betrachten.

Natürlich gibt es Menschen, die sagen, dieses hat für mich nicht stattgefunden. Das war quasi ein Irrtum. Es gibt die Gleichgültigen, die sagen, auch ich habe eine solche Erfahrung gemacht, aber das habe ich einfach nicht beachtet. Und viele sagen, na gut, das gehört in das Kapitel Spinnerei, das ist nicht mein Ding und das war dann wohl nicht so wichtig. Und unter denen, die stark erleben, gibt es auch solche, die es nicht formulieren können, denen das Wort nicht zu Gebote steht oder denen die Fähigkeit abgeht, über sich selbst analytisch zu denken. Und diese Menschen sind dann dankbar, wenn sie Berichte lesen wie den ihren, wie den meinen. Dennoch finde ich es problematisch überhaupt darüber zu reden, weil man Sorge hat, dadurch an Intensität des Erlebens zu verlieren, je mehr man darüber redet.

Ein Interview mit Ihnen im Norddeutschen Rundfunk trägt die Überschrift „Ein Fenster zum Himmel war offen“. Was hat der Blick durch dieses offene Fenster Ihnen gezeigt, was hat er Ihnen offenbart?

Medizinisch ist klar, was es gewesen ist: ein hohes Fieber, dem ich schon dem Abend vorher und dem Silvesterabend unterlag. An diesem Morgen dirigierte ich das Neujahrskonzert in Weimar. Die Neunte von Beethoven ist aber sehr sensibel im Zusammenspiel mit Dirigent, Chor, Orchester und Solisten, so dass man da nicht plötzlich absagen kann. Und deswegen habe ich mir gesagt, du glühst vor Fieber, aber du kannst nicht absagen, du musst dirigieren. Und bis zum Zeitpunkt des Geschehens war die Aufführung so intensiv und nahezu vollendet, dass ich dachte, dies müsste so eigentlich die letztgültige Fassung in deinem Leben sein. Und dann kommt die Stelle ‚Brüder über’m Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen’, wenn die Musik sich nach oben bewegt und quasi in der Höhe hängt und steht für einen Moment still. Und da merkte ich, du musst dich festhalten und dachte, irgendetwas passiert jetzt. Ich habe aber weiter dirigiert und dann knickten mir die Beine weg. Ich merkte nur - jetzt kann man schon nicht mehr sagen, merkte -, sondern ich sah von außen, wie sie mir die Kleider aufrissen und jemand Mund zu Mundbeatmung machte. Eine Sängerin, eine Solistin kniete direkt bei mir und betete. Die Menschen schrien, weinten. Und einer sagte laut, das hat mich auch so gefreut:

‚So was Schönes haben wir in Berlin nicht.’ Ein Fernsehteam filmte nun also diesen Körper und alles was darum geschah und ich dachte: ‚Kinder, was macht ihr euch solche Mühe, es ist doch so schön, lasst es doch bleiben.’ Das sind ja nur wenige - leider - wenige Minuten. Man möchte ja gerne drin bleiben in dem Zustand. Auch diese humorvolle Überlegenheit - Gleichgültigkeit ist es ja nicht -, dass man sagt: ‚Kümmert euch doch nicht um den alten Körper. Es ist doch gut so, es ist doch alles gut.’

Und das Bewegende war jedoch die Engelsbegegnung. Die beiden Konzertmeister sahen den Zusammenbruch kommen und hatten sich verabredet. ‚Ich helfe ihm, bringe ihn raus und du machst weiter.’ Das heißt, das Stück ist so schwindelnd mit dem Riesenchor, das geht nicht zwei Takte lang, dass man es von der Geige aus dirigiert, das geht einfach nicht. Und es war auch ganz unmöglich, weil ja alle riefen und schrien und das Podium war voller fremder Leute und an Musik war überhaupt nicht zu denken. Aber in diesem Moment, als ich zusammenbrach, sah ich diesen Kollegen ohne Geige und ohne schwarzen Anzug in einem unaussprechlichen Licht auf mich zukommen, ganz groß von oben und ich sagte: ‚Ich kann nicht mehr.’ Das habe ich auch wirklich gesagt, das ist Realität. Und da sagteer zu mir:

 

‚Du musst auch nicht mehr.’ Das war aber nicht mehr irdische Realität. Den Musiker habe ich hinterher gesprochen: ‚Sag’ mal, was habe ich gesagt?’ Seine Antwort war: ‚Sie haben gesagt: Ich kann nicht mehr, und da habe ich versucht sie rauszuführen und dann war es auch schon aus.’ Aber diese Antwort, ‚Du musst auch nicht mehr’ war natürlich wunderbar. Das tut einen jetzt noch wohl, wenn man denkt, was man eigentlich alles tun muss, und wenn einer von höchster Autorität sagt: ‚Du musst auch nicht mehr’, das ist schon etwas Herrliches.

Wer war es, was war dies für ein Wesen, das Ihnen diese beglückende Antwort gab?

Es war eine Engelsgestalt, eine Engelserscheinung. Ein unglaubliches Licht. Ich bin immer traurig darüber, dass es keinen Ausdruck für diese Qualität von Licht gibt. Alles was wir an Licht kennen, von Lampen, von der Sonne, alles ist nichts dagegen. Und das ist so merkwürdig daran: Er (der erste Geiger, A.S.) ist klein gewachsen und schwarz gekleidet gewesen. Die Engelserscheinung jedoch war groß. Aber es war derselbe, es war er, in meiner ersten Begegnung, als er von oben auf mich zukam:

‚Du musst auch nicht mehr.’ Naja, wenigstens ist das Zurückkehren dann nicht so schmerzhaft gewesen, wie man das oft liest und hört, sondern es war mit einem lächelnden Bedauern. Schade, es wär’ doch eigentlich schön gewesen.

Sie sind aktiver und engagierter Christ, nicht erst seit diesem Erlebnis. Wie hat sich dieses Erlebnis auf Ihren Glauben, auf ihr Transzendenzverständnis ausgewirkt?

Das Beglückende an diesem Erlebnis ist, dass es nicht im Widerspruch zu meinem Glauben steht. Christus hat gesagt: ‚Ich bin das Licht.’ Also, was wollen wir mehr. Ich habe ein Leben lang so gelebt, dass so etwas existieren könnte, sich ereignen könnte und siehe da, es ereignete sich, und das, was ich glaube und praktiziert habe durch Jahrzehnte lange Übungen durch Meister Eckhart, das hat sich bestätigt. Und so ist es mehr die Krönung gewesen, wie eine Summe der Hoffnungen und Erfahrungen. Das war besonders eindrucksvoll.

Natürlich gibt es da einige Reibungspunkte. Der eine ist, was machen die anderen Religionen? Dabei sage ich immer zu meinen Kindern, du kannst den Apfel von unten anstechen, von der Seite oder von der anderen Seite, du kommst immer zum Kern. Also, die Ausschließlichkeit des Heils, da kann man mich nicht überzeugen, dass dies von einer bestimmten Religion abhängt. Aber die Religionen stehen im Dialog und reden miteinander.

Das andere ist die Auferstehung der Toten nach Jahrtausenden oder Jahrhunderten, wenn dann endlich die Posaune erschallt. Das ist auch nur ein Bild. Wer darauf besteht, das wörtlich zu nehmen, der ist für mich kein Gesprächspartner. Wir gehen alle diesen Weg und zwar in dem Moment des Sterbens und kommen sofort ans Ziel und nicht erst nach Jahrhunderten, die wir dann auf dem Friedhof warten, bis das Grab sich dann öffnet.

Und ein drittes: Bei Gustav Mahler ist das so, in der zweiten Sinfonie, dass sie alle aufmarschieren vor den Weltenrichter, die Großen und die Kleinen, die Päpste und die Huren und die Verbrecher und die Heiligen, alle marschieren dahin, Millionen Menschen. Und siehe da, die große Überraschung: Es ist kein Gericht, sondern nur die allumfassende Liebe. Und die unglaubliche Güte, die einem aus dem Licht entgegenkommt. Das ist, was uns dann beschämt, das ist eigentlich das Gericht, dass wir so beschämt sind, dass wir das nicht erkannt haben, ein Leben lang: dass das Tiefste, die Existenzfrage der ganzen Welt, der spirituellen wie der dinglichen, die Liebe ist. Das ist der zentrale Punkt. Dass wir diesem Gedanke Unrecht tun, indem wir ihn verletzten, missbrauchen, das ist das Eigentliche, was man Sünde nennen muss. Daran muss man meiner Meinung nach arbeiten, im Diesseits wie im Jenseits. Im Faust II tragen die Engel die Seele, das Unsterbliche von Faust im Puppenstand empor, verpuppt wie der Schmetterling, und dort entfaltet man seine Flügel zur Seligkeit, zur letzten Reife.

Mein eigenes Nahtoderlebnis hat mein Verständnis von Transzendenz erweitert. Transzendenz ist nicht mehr das ferne Jenseitige, sondern auch die Überzeugung, dass die Höhen und Tiefen in unserem Leben, ja selbst der Tod ein gutes Ende nehmen werden.

Ja, und das strahlt auf das Leben zurück, auf das Alltagsleben, indem man einfach wohlgemut ist und getrost. Und selbst wenn es schwer ist, weiß man, es bleibt nicht so. Wenn man weiß wo die Reise hingeht, dann kann man alle Schwierigkeiten unterwegs gut ertragen. Die Transzendenz leuchtet nach hier, und auch was wir hier denken, tun, fühlen, unterlassen leuchtet nach dort hin. Aber von Letzterem wissen wir nichts.

‚Wo die Sagbarkeit endet, beginnt die Zone des Schweigens’ - so hat es einmal der Biologe und Verhaltenforscher Adolf Portmann in seinen Reflexionen zum inneren Erleben, zur imaginierenden und symbolhaften Weltdeutung des Menschen formuliert. Stossen wir mit diesen Erfahrungen an die Grenzen unserer Erklärungs- und Deutungsmöglichkeiten? Beginnt dort die Zone des Schweigens?

Wo die Sagbarkeit endet, fängt ja die Musik an. Es gibt manche mystischen Texte meines Vaters, die ich innerlich als Thema für gegeben nehme und dann Musik mache, wortlos, und das ist für mich dann die gültige Form. Wobei ich aber nicht behaupte, dass Musik Mystik ist, aber es gibt mystische Momente in der Musik. Das Wort ist immer eine Einengung, es will ja formulieren und eine Formel ist ja begrenzt. Das Unbegrenzte, das Grenzenlose, das Unfassbare lässt sich nicht in das Wort zwingen.Wort und Zahl sind immer eine Begrenzung. Man kann dort viel erkennen und verrichten, aber nicht das Letzte. Das Letzte ist eben wortlos, wie Meister Eckhart verlangt, dass man sogar den Begriff Gott aufgibt: „mach mich gotes kütteren ledic.“ Das ist hart.

Sie sprachen Ihren Vater an, den Arzt und Psychologen Carl Albrecht. Neben seiner Arbeit als Arzt schrieb er drei Bücher zur Psychologie der Mystik, darunter ein Standardwerk.

Er war Mystiker.

Wie weit hat Ihr Vater Ihr Leben und die Deutung Ihrer Erfahrung geprägt?

Bei meinem Vater war das Bemerkenswerte, dass er dieses spontane, existentielle Erleben nicht nur philosophisch, sondern wissenschaftlich psychologisch hinterfragte. Er hat also die Fähigkeit gehabt, in der Versunkenheit zu sprechen und das Sprechen in der Versunkenheit zu entdecken. Er war hypnotisch begabt und konnte die Patienten, ob gläubig oder nicht, in einen Zustand versetzen, dass sie anfingen zu sprechen oder mit einer ganz anderen Schrift zu schreiben, als sie im Alltag schrieben.Die Versunkenheit überhaupt war sein Forschungsgebiet. Deswegen ist er eine Ausnahme. Dieses Erleben wurde ihm geschenkt. Er hat nicht nur das Erleben selbst gehabt, sondern darüber hinaus vermochte er es wissenschaftlich zu durchforschen und zu hinterfragen.

Der Umgang mit dem Vater war sehr prägend und vor allem die Frage, was das Thema „Wesentlichkeit“ betrifft. Also, dass eigentlich kein Moment im Leben verschenkt werden darf, sondern jeder Moment ist wesentlich und Langeweile gibt es nicht. Jeder Moment ist mit Sinnhaftigkeit zu erfüllen, weil das Leben so kurz ist.

Wir haben bisher über die spirituelle Seite dieser Erfahrungen gesprochen. Diese haben aber noch eine andere Seite; sie sind auch Objekt der wissenschaftlichen Forschung wie bei ihrem Vater oder in den modernen Neurowissenschaften.

Mein Vater war ein Unruhegeist, er musste alles belegen und mit dem Intellekt bestätigen. Das ist mir überhaupt kein Anliegen - überhaupt nicht.

Für viele Menschen, die eine solche Erfahrung machen, stellt sich die Frage: „Was mache ich nun damit? Welche Bedeutung messe ich ihr bei?“ Es stellt sich damit die Frage der Integration dieser Erfahrung in das eigene Leben.

Nach dem Nahtoderlebnis kam ich sehr bald auf die Idee Hospizarbeit zu leisten; ich habe mich ausbilden lassen. Diese Tätigkeit, es klingt merkwürdig, bedeutet mir ebensoviel wie das Musikmachen und sie ist auch ebenso erfüllend und aufbauend wie das Musikmachen. Meine Frau war in Sorge, dass ich dann wunderlich werde und nur noch mit dem Schattenreich beschäftigt sei. Im Gegenteil. Es wird so viel gelacht. Der sterbende Mensch ist so wesentlich und ist so fern von allem Selbstbetrug und aller Lüge, dass man sich einfach wohl fühlt. Wenn die Ärztin gerade noch gesagt hat: ‚Kopf hoch, das wird schon’ und ‚Wir schaffen das’, und dann geht die Tür zu und ich bin wieder allein mit dem Sterbenden und er sagt: ‚Was soll die Lügerei? Das brauche ich nicht mehr.’ Herrlich, dann ist die Luft rein. Und dieses Eingehen auf den anderen Menschen bis zur physischen Übereinstimmung ist unglaublich wertvoll und bereichernd. Und es ist so wohltuend für den Sterbenden, dass ich nicht rede, sondern nur da bin und ich atme dann mit ihm, und das ist eine Form von Gebet. Aber diese Form muss geübt und stundenlang ausgehalten werden. Einfach da sein.

Ich erlebe in meiner Sterbebegleitung sehr oft, das auch atheistische Menschen in der letzten Strecke klar sehen, wo es hingeht, und dass es irgendwo hingeht, von dem sie vorher keine Ahnung hatten und nicht einfach Schluss ist. Da kann ich Ihnen wunderbare Erlebnisse erzählen. Zum Beispiel: Also, ich lernte ihn kennen und er sagte: ‚Dass wir uns richtig verstehen, ich bin Atheist, ich war Dekorateur und hab‘ mein Leben auf der Leiter zugebracht, und kommen Sie bloß nicht mit dem Glauben.’ Da habe ich gesagt: ‚Das werden Sie von mir nicht erleben, Sie dürfen doch alles, ich verlange doch nichts von Ihnen.’ Wir haben uns fabelhaft verstanden, wir haben viel gelacht. Und dann verstummte er viele Tage und plötzlich sagt er quasi aus dem Koma heraus - etwas, was noch nichts mit dem Jenseits zu tun hat, aber was zeigt, wie weise der Mensch wird: ‚Die Zivilisation hat Uhren.’ Ich dachte: Mein Gott. Plötzlich redet er. Was meint er denn jetzt? Und nach einer ganzen Pause kommt: ‚Und die Natur hat Zeit.’ Da dachte ich, das hat ja den Rang eines Philosophen. Das ist ja eine große Weisheit und Erkenntnis. Und derselbe sagte, ganz kurz vorm Sterben: ‚Mit mir wird’s nichts mehr.Das steht da oben geschrieben.’ Atheist?

Der Theologe Hans Küng stand dem Phänomen der Nahtoderfahrungen sehr kritisch gegenüber. Heute äußert er sich freundlicher dazu. In einem Interview sagte er einmal: „Nahtoderfahrungen sind vielleicht ein Hinweis dafür, dass das Sterben doch nicht so grausam ist oder dafür, dass wir ins Licht gehen können.“ Dennoch erleben Sie bei Ihrer Sterbebegleitung die Unerbittlichkeit des Todes und die Grausamkeit des Sterbens unmittelbar. Sie selbst haben sich vor wenigen Monaten einer kritischen Rückenoperation unterziehen müssen.

Die Nahtoderfahrung bei meinem Zusammenbruch im Neujahrskonzertkonzert war ein blitzartiges Erleuchtungserlebnis. Ganz anders war das jetzt bei der Rückgratoperation - genau das Gegenteil. Der Niedergang vor der Operation, in der Operation und danach, das Wiederkehren war, ein Abstieg in das tiefste Dunkel, in das Entsetzlichste, eine physische und psychische Qual. Das ist sehr interessant - die Gegensätze. Und so waren es ganz höllische Erlebnisse, wie bei Dante, wirklich ein Inferno, insbesondere die dreißig Stunden nach der Operation im Aufwachraum. Jetzt kann ich nur sagen, ich bin schmerzfrei, und ich genieße jeden Tag. Es ist ein neu geschenktes Leben. Aber die Niederfahrt zum Nullpunkt und das Wiederaufsteigen möchte ich nicht noch einmal erleben. Das ist infernalisch gewesen. Das Gegenteil von paradiesischem Erleben des nahen Todes. Also, auch das gibt es. Aber der endgültige Übergang, der ist ein Gehen ins Licht. Diesen Weg geht jeder.

Welche Form einer alltagstauglichen Spiritualität kann sich aus einer solchen Erfahrung heraus entwickeln?- eine Spiritualität, die auch für die Mehrzahl der Menschen in der heutigen Zeit geeignet ist, sozusagen eine „Mystik für jedermann“.

Die des Betens - ohne Unterlass. Aber wer tut das? Noch nicht einmal Mönche tun das. Es gibt eine viel leichtere, gängigere Art im Alltag diese Spiritualität zu leben. In einer Schlange, man wartet auf irgendwas, es ist langweilig oder im Wartezimmer des Arztes, im Bus oder in der Bahn, in allen langweiligen Situationen, wo man sagt, es ist schade um meine Zeit, die Gotteszeit ist, da können zum Beispiel katholische Menschen den Rosenkranz beten. Das ist ein Bilderbuch, das so spannend ist, wenn man sich in die Bilder hineinversetzt, die Lebens- und Leidenstationen, dann langweilt man sich nicht, überhaupt nicht und man ist abgeschirmt gegen die Nervosität und die Nichtigkeit, man geht mit etwas ganz Wunderbarem um und strahlt es auch aus. So gibt es Übungen, jeder muss das seine finden. Also, für mich ist der Rosenkranz eine Vorform des mystischen Gebetes und eine im Alltag unglaublich hilfreiche Art Spiritualität zu leben.

Es gibt sehr enge Beziehungen zwischen Mystik und Nahtoderlebnissen. Beide Erfahrungen erweitern unsere Erkenntnis, unser Bewusstsein und zeigen uns zugleich die Grenzen unseres Wissens auf.

Ich habe immer das Gefühl, der Mystiker braucht wie der Weltraumfahrer einen Schutzanzug, wenn er aussteigt aus der Kapsel, sonst verglüht er. Er braucht also den Rückhalt der Kirche, oder einer Glaubensgemeinschaft, die Verse, die Riten, die Gesänge, Dogmen. Er braucht diese als Raumkapsel, sonst verglüht er. Und das habe ich natürlich beim Vater sehr studiert und auch mir meine eigenen Verse darauf gemacht.

Der Mystiker wagt die Aussage, dass im Anfang das Ende, im Ende der Anfang sei. Aber unser Leben steckt voller Widersprüche, Gegensätzlichkeiten und Polaritäten.

Wir brauchen die Reibung. Zum Beispiel, ich kann nicht komponieren, wenn alles nur positiv oder himmlisch oder engelhaft ist. Sondern ich brauche die Reibung. Ich brauche das Diabolische oder das Hoffnungslose oder das Chaotische. Wenn jemand mir einen Text gibt, verton’ den doch mal, und der ist nur so im Himmel, dann sag ich, das kann ich nicht. Das ist langweilig. Also, die Kunst braucht es und das Leben auch. Wir brauchen die Reibung, auch mit dem Bösen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Und daran reifen. Paulus: ‚Jetzt schauen wir durch einen Spiegel. Und alles ist Stückwerk.’ Oder Goethe sagt: ‚Es ist nur ein Abglanz, unser Licht, auch das Geisteslicht. Es ist nur ein Abglanz des eigentlichen Lichtes.’ Aber die Schlucht, die dazwischen liegt, oder die undurchdringliche Mauer, diese existieren nicht. Es ist eine hauchdünne Membran, die uns von dort trennt. Alles ist eins. Auch die Gegensätze. Es ist die Erfahrung von allen Mystikern: Alles ist eins.

Wird in dieser Sehnsucht nach der Einheit nicht der Versuch erkennbar, die Grenzen zu überschreiten, die uns als Teil der Schöpfung vom Ganzen, vom Paradies trennen? Aber wir verstehen diese Einheit noch nicht. Wir erkennen nicht, wie sich die Gegensätzlichkeiten und Widersprüchlichkeiten unseres irdischen Lebens auflösen.

Wir haben Bilder, die uns dahin leiten können. Zum Beispiel, wenn man Gebirgswanderer ist. Unten im Tal sieht man: hier geht jetzt ein Weg rauf. Ist das der richtige? Führt er vielleicht auf einen ganz anderen Gipfel? Man kennt das Gestrüpp von Wegen nicht. Und je höher man kommt, wenn man auf dem Gipfel ist, oben, dann durchschaut man alle Wege. Der führt in den Abgrund und der führt nach oben und der ist überhaupt kein Weg. Von Oben wird alles klar. Das ist ein gutes Bild. Auch die Irrwege, die werden einem nachträglich klar, dass auch sie ihren Sinn haben, und wo Licht und Schatten liegt auf der Landschaft, auch das. Dass man dies einschätzen kann und alles eins ist: dies wird einen beim Gebirgswandern so herrlich klar. Es gibt hilfreiche Bilder, die wir hier haben