Karl Rahner gehörte zu den größten
katholischen Theologen in moderne Zeit, geboren 1904 in
Freiburg i.Br., gestorben 1984 in Innsbruck, wo er
Professor war. Er schrieb in »Zur Lehre vom
›Reinigungsort‹« (Purgatorium, eine Bezeichnung, die er
statt »Fegfeuer« vorzieht) [1]: »Hier ist noch vieles zu
tun, und manche Schwierigkeiten gegen die Lehre vom
Zwischenzustand, vom Fegfeuer, können sicher noch
ausgeräumt werden. Es sei noch auf die Frage
hingewiesen, ob nicht in der katholischen und zunächst
so altmodisch anmutenden Vorstellung von einem
›Zwischenzustand‹ ein Ansatz gegeben sein könnte, um
besser und positiv mit der in den östlichen Kulturen so
verbreiteten und da als selbstverständlich betrachteten
Lehre von einer ›Seelenwanderung‹, ›Reinkarnation‹,
zurechtzukommen, wenigstens unter der Voraussetzung,
dass eine solche Reinkarnation nicht als ein niemals
aufhebbares, zeitlich immer weitergehendes Schicksal des
Menschen verstanden wird«.
In einer anderen Schrift [2] bezog er
sich auf Menschen, die keine Wahlfreiheit haben, sondern
durch Macht, Gewalt oder widerliche Umstände zu einer
für sie unvermeidlichen Lebensweise genötigt werden,
sowie von Menschen, denen nicht die Heilsbotschaft
gegeben wurde. Dazu schrieb er: »Aber in den hier zu
bedenkenden Fällen hat ja diese Freiheitsgeschichte
überhaupt noch nicht begonnen … dann könnte ich mir
denken, dass die Möglichkeiten des ›Fegfeuers‹ auch noch
den Raum bedeuten könnten für eine post-mortale
Freiheitsgeschichte bei dem, dem eine solche Geschichte
in seinem irdischen Leben versagt war. Wenn ich ehrlich
bin, so will mir ein Gedanke an so etwas
wahrscheinlicher scheinen als die Vorstellung, dass es
Menschen gäbe, die in ihrer Existenz bleiben und denen
Gott für alle Ewigkeit versagt hat, dass diese ihre
Ewigkeit auch die Endgültigkeit ihrer Freiheitstat sei.
Diese ›Seligen‹ wären Menschen, die in alle Ewigkeit
Gott nie frei geliebt haben, deren ewige Liebe nie durch
das Tor ihrer Freiheit in Endgültigkeit eingezogen wäre.
Ich finde eine solche Vorstellung schrecklich … Die
Vorstellung, eine solche Entscheidung geschähe ›im‹ Tod,
und zwar dann auch bei ›Unmündigen‹ … ist genau gesehen
nur eine andere Formulierung … Ich habe selber
wahrhaftig nichts übrig für ›Seelenwanderung‹ und
ähnliche Vorstellungen. Aber wenn man die ungeheure
Verbreitung dieser Vorstellung in Raum und Zeit erwägt,
die heute ja keinem engeren Kulturkreis allein angehört,
wenn man dieses abendländische Empfinden nicht gar zu
schnell und selbstverständlich als das allein richtige
einschätzt, dann kann man sich fragen, ob an dieser
Lehre von der Seelenwanderung nicht doch etwas Richtiges
sein könnte. Dann könnte man … sich fragen, ob für eine
solche gemäßigte Seelenwanderungslehre nicht doch auch
innerhalb der christlichen Dogmatik von der
Fegfeuerlehre her ein Platz frei wäre. Ich sage:
gemäßigt, weil von der Fegfeuerlehre her ein solcher
Platz für die als denkbar eingeräumt werden
könnte, die in diesem irdischen (oder ersten) Leben
nicht zu einer letzten personalen Entscheidung gekommen
sind, und natürlich nicht für andere.«
Was er in seiner komplizierten Sprache
schreibt, ist, dass die Vorstellung von einem Fegfeuer,
für denjenigen der es braucht und sich dadurch
entwickeln könnte, auch die Reinkarnation als einen Weg
zur »Seelenreinigung« beinhalten könnte. Das wäre
wahrhaftig gerechter und mehr in Einklang mit Gottes
Liebe, als eine ewige Verdammnis von dem, der in Unreife
oder in Mangel an Gelegenheiten (dem also keine Chance
gegeben wurde) nicht zu einer »letzten personalen
Entscheidung« kommen konnte.
Referenzen:
1. Karl Rahner: Grundkurs des Glaubens, in:
Sämtliche Werke, Bd. 26, Benziger, Zürich und
Herder, Freiburg i.Br., 1999, S. 416-417.
2. Karl Rahner: »Fegfeuer«, in: In Sorge um die
Kirche, in: Schriften zur Theologie, Bd. XIV,
Benziger, Zürich, S. 447-449