Christus, der eingeborene Gottessohn, »der
Erstgeborene vor aller Schöpfung« (Kol. 1,15), den wir unsern Herrn nennen, ist
so lehrte Origenes der einzige, vor Ewigkeiten aus Gott
geborene Sohn Gottes. Also wurde Christus nicht etwa durch Adoption Sohn
Gottes, sondern er allein ist Sohn Gottes von Natur aus (princ. I 2,4). Darum
heißt er
auch der ,Eingeborene (princ. I 2,5). Christus ist das vollkommene Ebenbild
Gottes (vgl. princ. I 2,6). Er ist die Weisheit Gottes, die Ausstrahlung seiner Vollkommenheit
und Herrlichkeit, »geschaffen als Anfang der Werke Gottes« (Sprüche
8,2225). Wenn nämlich »alles, was der Vater tut, auch der Sohn
gleichermaßen
tut« (vgl. Joh. 5, 19), dann wird dadurch, dass der Sohn alles so tut wie der Vater, das
Bild des Vaters im Sohne nachgeformt, der ja aus ihm geboren ist (vgl. princ.
I 2,6).
Christus ist nach Gott der höchste Geist. »Durch ihn ist alles
geworden« (Joh. 1,3), ist die Schöpfung in ihrer Gestaltung entstanden. Gott salbte
Christus »mit Freudenöl« zum König seiner Geschöpfe (princ. II 6,4).
Christus ist ,Mittler zwischen Gott und Schöpfung, also auch
zwischen Gott und der Welt. Dies ist von Gott aus in Richtung auf die Welt gesehen. Es
gilt dies aber auch in umgekehrter Hinsicht, von der
Welt zu Gott hin; denn nur durch Christus ist den Geschöpfen
Erkenntnis des Vaters möglich. Nur soweit Gottes Sohn von uns erkannt wird, besitzen
wir Gotteserkenntnis.
Christus war schon Mittler auf dem Berg Sinai, als er Mose berief. Auch
sprach Christus durch König Salomo (princ. I 2,2) und die Propheten (Jesaia, Jeremia,
Ezechiel und andere). Origenes würdigte zwölf Propheten des Alten Bundes in
mehr als fünfundzwanzig seiner Bücher. Die Propheten waren reine
nicht am Abfall beteiligte Geister in Menschengestalt. Sie hatten
die Einkleidung in irdische Leiber freiwillig auf sich genommen. Christus entsandte
sie zu dem von ihm auserwählten Volk. Um die Erlösung zu verwirklichen und dadurch die
Rückkehr der Abgefallenen ins Reich Gottes zu ermöglichen, musste Christus selbst als
Mensch auf die Erde kommen denn die Wiederverbindung der Abgefallenen mit Gott
war nicht denkbar, ohne dass ihnen der Weg dahin vermittelt wurde. Christus, so lehrte
Origenes, zeigte uns diesen Weg aus der Substanz seiner Seele. Es war für ihn
nicht naturwidrig, einen Körper wie den unsrigen anzunehmen. Zudem war er, der
Gott am nächsten stand, im höchsten Maße geeignet, diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. princ. II 6,3).
Christus hat sich herabgelassen, die ganze Fülle seines Wesens in
Menschengestalt in Erscheinung zu bringen, um zu beweisen, dass der Mensch fähig sein
kann, ganz göttlich zu leben und dies selbst bei größten Anfechtungen durchzuhalten.
Hierin erblickte Origenes das Höchste der Leistung, die Christus auf Erden vollbrachte.
Sie bewies, dass es dem Menschen möglich ist, seinen Geist ganz Gott zuzuwenden; denn
Jesus Christus hatte wahrhaft gelitten, nicht etwa nur dem Scheine nach, und er ist
wahrhaft den allen Menschen gemeinsamen Tod gestorben. Dann aber ist er
nach seinem siegreichen Kampf mit den geistig Toten in der Hölle seinen Jüngern [als
Auferstandener] wahrhaft erschienen und verkehrte mit ihnen bis zu seiner Rückkehr
in den Himmel.
Das Wort, das Christus durch seine Menschwerdung der Welt
brachte, war für diese eine unermessliche Hilfe: Jeder kann jetzt sein Heil wiederfinden.
Die Freiheit geht voran, und die unterstützende Gnade folgt bei einem gottgefälligen
Denken und Handeln.
Auf diesem Weg ist nach Origenes für den Menschen das erste der Glaube
an das Wort Christi. Darauf folgt die religiöse Betrachtung der sichtbaren Dinge. Von hier aus schreitet die Seele voran wie auf den
Sprossen einer Leiter und dringt vor bis zur vernünftigen Substanz der Worte Christi
das heißt bis zu deren. tiefstem
Wahrheitskern. Damit geht die Seele ihren Weg wieder zurück nach oben denselben Weg, den sie einst als
fallende Seele (beim Engelsturz) abwärts durchlaufen hatte." Nur über Christus
erreicht unser Gebet Gott, und auch nur dann, wenn es in einem heiligen Geist gesprochen
wird.
Aus seiner Sicht heraus erkannte Origenes auch, dass die Art der
Körperlichkeit Christi auf Erden als Jesus von Nazareth verschieden war von der, in
welcher er nach seinem Kreuzestod den Jüngern erschien. Von der irdischen Geburt bis zum
Kreuzestod war Christus den Menschen in allem gleich; doch die Körperlichkeit, in welcher
Christus danach seinen Jüngern erschien, war eine aus geistigen und irdischen
Bestandteilen gemischte Materialisation und einzig zum Zweck des Beweises seines
Weiterlebens zeitweilig aus Christi geistiger Kraft aufgebaut. Daher konnte Christus »bei
verschlossenen Türen« jeweils ganz überraschend seinen Jüngern erscheinen (vgl.
Joh.20, 26).14
nächste Seite |