Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin sowie von Bo
Katzman
Basel,
11. Oktober 2008
(aus dem
Schweizerdeutschen übersetzt)
Ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit nimmst, mir heute
ein paar Fragen zu beantworten. Wenn es dir recht ist, würde ich gerne eine
kleine Reise machen, angefangen mit dem Tag des Unfalls, dann die NTE selbst
und wie es dich verändert hat. Ich habe gelesen, dass du einen
Motorradunfall hattest in jungen Jahren, welcher zu deiner NTE führte.
Erzähl doch mal!
Ja das ist
schnell erzählt! An einem wunderschönen Junimorgen, es war strahlend blauer
Himmel, wollte ich wieder mal Motorrad fahren. Ich bin dann mit hohem Tempo
in eine kurvige Unterführung hinein gefahren. Es reizte mich so richtig mit
schnellen 85 km/h in die Kurve zu liegen, doch dummerweise war ein Stau in
der unübersichtlichen Kurve, was ich natürlich viel zu spät gesehen hatte.
Ich bin dann mit voller Wucht in das letzte stehende Auto hinein geprallt.
Zuerst einmal habe ich nicht mehr Atmen können und wusste sogleich, dass
meine letzte Stunde geschlagen hatte. Ein riesiges Gefühl von Panik packte
mich: Wieso ich? Wieso jetzt? Warum?
Also hattest du wirklich auch Gedanken gehabt während diesem
kurzen Augenblick?
Ja, es waren
eher Emotionen, die alles übernommen hatten: Wütende, zornige, auflehnende
Emotionen und Gedanken. Und dann ist das übergangen in eine Art, wie sagt
man dem? So ein „Hände hoch“, jetzt musst du dich ergeben, jetzt kannst du
nichts mehr ändern, jetzt ist es vorbei. Plötzlich aber ist eine
unglaubliche Ruhe über mich gekommen. Nach dieser Erkenntnis, diesem
Ergeben, lief dann wirklich dieser berühmte Film ab, wovon man auch immer
wieder liest. Allerdings hinkt der Vergleich mit dem Film. Einerseits
erlebte ich jeden Moment meines bisherigen Lebens noch mal und war
gleichzeitig Beobachter. Es war wie ein Zeitfenster, alles stand still und
ich hatte in diesem Zeitfenster nochmals diese 20 Jahre meines Lebens.
Danach wurde
ich bewusstlos, hörte zwar zwischendurch noch die Sirenen des Krankenwagens,
doch versank ich auch gleich wieder in die Tiefe der Bewusstlosigkeit. Und
plötzlich war ich unvermittelt wieder bei klarstem Bewusstsein. Ein
Bewusstsein, das ich bis jetzt noch nie hatte. Es war so allumfassend und
hell, dass ich mich wunderte, was denn jetzt passiert sei. Ich sah, dass
mein Körper auf einem Operationstisch lag und mir wurde bewusst, dass ich
nicht mehr in meinem Körper war, sondern darüber schwebte. Okay, das hatte
ich dann blitzartig akzeptiert und dachte: Aha, jetzt bin ich tot! Es war
völlig klar für mich.
D.h. eigentlich fast ein wenig objektiv hast du das
betrachtet?
Ja, ja, das
war mir damals einfach bewusst. Es war keine Beurteilung, sondern eine
nüchterne Feststellung, dass ich jetzt tot war. Interessant war, ich habe
die Gedanken dieser Ärzte wahrgenommen wie ein lautes Gespräch. Es war
unglaublich und zuerst war ich verblüfft, was denn da um mich herum so laut
schwatzt.
Selber hattest du aber keinen Körper?
Ich hatte
schon so eine Art Körpergefühl, das ich übernommen hatte von früher, aber
ich hatte keinen wirklichen Körper, sondern eher so eine Wolke. Ich war eine
Art Geist, hatte also keine eigentliche Form oder genaue Konturen.
Aber du hast dich selbst doch als etwas wahrgenommen?
Ja, als
Individuum. Das Ich-Bewusstsein war voll da.
Ich bin dann
auf den Doktor zugeschwebt, und sagte zu ihm: „Doktor Rosetti, sehen Sie
nicht, dass ich tot bin? Sie können jetzt aufhören!“ Dann habe ich ihn
packen wollen mit dem, was ich als Arm empfunden habe von meinem Körper her,
bin aber nur durch ihn hindurch gefahren. „Aha, logisch“, dachte ich, „Ich
habe ja keinen Körper mehr!“
Ich fühlte,
dass ich hier nichts mehr zu tun hatte hier und war plötzlich in einer
anderen Sphäre, in einem Nebel, ich kann es nicht anders beschreiben. Dieser
Nebel bestand aber nicht aus Tautropfen, sondern (wie soll ich das sagen?)
das gesamte Wissen, das es gibt, das Allwissen, war in diesem Nebel
vorhanden.
Dieses Wissen hattest du dann auch?
Ja, ich war
ein Teil von diesem ganzen geistigen Universum, da ich ja keine körperliche
Abgrenzung mehr hatte. Wie ein Tropfen, der ins Meer fällt. Dieser ist auch
nicht mehr trennbar vom ganzen Ozean, er ist der Ozean. Dieses
Gesamtwissen zu erfassen hat mich fast erschlagen. Das trifft dich wie ein
Donnerschlag. Plötzlich waren alle Antworten auf alle Fragen da! Du weisst,
wieso die Welt entstand, wann und wie; einfach alles!
Eigentlich alles, was der Mensch gerne wissen würde, hast du
gewusst.
Ja, alles war
vorhanden, dieses Wissen ist einfach da. Später dann wollte ich mir diese
Phänomene natürlich selber erklären und habe gelesen, dass dieses
gleichzeitige Vorhandensein von Zukunft und Vergangenheit die Akasha-Chronik
genannt wird. Das heisst, alles, was je passiert ist und auch jemals
passieren wird - ist als mögliche Realität vorhanden. Sowohl die Zukunft als
auch die Vergangenheit waren präsent.
Bedeutet das, dass es die Vorbestimmung gibt?
Nein,
vorbestimmt kann man nicht sagen. Es sind einfach alle Möglichkeiten, die es
jemals geben wird, alle Wahrscheinlichkeiten vorhanden als eine Art mögliche
Realität.
So dass man eigentlich immer noch selber wählen kann, welchen
dieser unendlichen Wege man nehmen will?
Ja genau. Es
ist wie beim Billard-Spiel. Der Winkel und dir Kraft, wie du die weisse
Kugel anstösst, bestimmt den Verlauf der anderen Kugeln. Jeder Millimeter
der Winkelveränderung, verändert auch den Verlauf aller dieser Kugeln. So
wie alle diese Möglichkeiten des Kugelverlaufs in einem Spiel, das sind ja
mehrere Milliarden, so sind auch die Aktionsmöglichkeiten eines Individuums
während eines Lebens praktisch unbegrenzt. Jede einzelne Möglichkeit ist
schon von vornherein in diesem „kosmischen Geflecht“ vorhanden. Es ist
schwierig zu erklären.
Wirklich nachvollziehen wird man es wahrscheinlich nie
können, wenn man es nicht selber erlebt hat.
Wahrscheinlich
nicht. Das Interessante war, dass ich gemerkt habe, dass es weder
Vergangenheit noch Zukunft gibt, es gibt einfach… (denkt nach) Alles, das
Eine!
Der Begriff
Ewigkeit für uns ist eine unendlich lange Zeit, aber eigentlich ist es die
Abwesenheit von Zeit, was die Ewigkeit ausmacht. Es gibt keine Zeit mehr.
Also eigentlich ein dauerndes Jetzt?
Ja. Und
trotzdem gibt es eine permanente Veränderung in diesem dauernden Jetzt. Es
pulsiert, es verändert sich, es kreiert, aber es ist immer jetzt (lacht).
Man kann es mit Worten fast nicht erklären, man kann es sich auch nicht
vorstellen. Wir haben in dieser Welt einfach keine Erfahrungen und keine
Vergleichswerte dafür.
(…)
Und ja dann
kam dieses Licht. Es ist eigentlich kein Licht, sondern es ist eine
unfassbare Energie, die soviel Liebe ausstrahlt, so dass diese nur noch
leuchten kann. Darum das Wort Licht, aber eigentlich ist es die reine
Liebesenergie.
Sieht man es denn als etwas Gelbes oder Weisses?
Man nimmt es
wahr… Gehen wir etwas ins Theologische: Ich habe diese Energie, als
allumfassende, schöpferische Liebesenergie wahrgenommen, die alles
durchpulst und dank der alles Leben „schwingt“. Und gleichzeitig war eine
Persönlichkeit in dieser Energie, ES hat mich geliebt (lacht). Dieses
Gefühl war dermassen überschwemmend und hat mich dermassen getroffen mit
einer ungeahnten Wucht. Das hatte ich ja noch niemals erlebt, auf diese
uneingeschränkte Art geliebt zu werden.
Nicht vergleichbar mit „der Liebe auf Erden“?
Nein. Man kann
es vielleicht vergleichen mit dem Gefühl, wenn man über beide Ohren verliebt
ist in einen Menschen. Man sitzt diesem gegenüber und alles, was man sieht,
liebt man einfach. Man hat Herzklopfen und es ist...überwältigend. Dieses
Gefühl, aber millionenmal verstärkt, erfüllt einen in diesem Licht.
Bei mir war es
dann so: Dieses Licht war nur als sanfter Schimmer am Horizont aufgetaucht.
Ich raste darauf zu, ich schätze mit Lichtgeschwindigkeit, doch irgendwann
merkte ich, dass ich nicht näher kommen konnte. Da war nur dieser Schimmer
am Horizont, und ich konnte diese Energie, die mich traf, fast nicht
aufnehmen. Ich wusste, dass wenn ich noch näher heranginge, dann würden
meine Gefühle explodieren, das würde ich nicht aushalten. In diesem Moment
nahm ich eine Art Stimme in meinem Bewusstsein wahr, die sagte: Bis hierher,
nun musst du wieder zurück! Jetzt hast du es gesehen, jetzt weisst du es und
jetzt gehst du wieder zurück ins Leben. Sofort war mein Bewusstsein
verschwunden und ich war offenbar wieder zurück in meinem bewusstlosen
Körper. Die Ärzte hatten mein Herz reanimiert.
Unter
Anästhesie war ich bei tiefer Bewusstlosigkeit. Einige Stunden später
erwachte ich dann in der Intensivstation und wurde von Schläuchen und
Apparaten am Leben erhalten.
Die Personifizierung vom Licht, hast du dies als Gott
wahrgenommen oder denkst du, dass dies allgemein als Gott angesehen wird?
Ja, ich habe
auch jetzt noch keine andere Erklärung. Doch das, was ich als Gott erlebt
habe, war so total anders, als das, was mir beigebracht wurde. Auch das
Jenseits, das war so total anders. Man denkt doch dann, dass man in den
Himmel kommt, wo es schön ist und man von irgendeinem Vorfahren empfangen
wird. Aber alles spielt sich nur auf energetischer Basis ab. Ich frage mich,
wieso die meisten Menschen die Vorstellung ablehnen, dass Gott die reine
Energie ist. Was soll er denn sonst sein? Ein freundlicher alter Mann?
Dabei ist alles Existierende bloss schwingende
Energie. Gedanken, Gefühle, das Licht - ja sogar Materie ist nichts anderes
als dicht schwingende Energie. Und es gibt nur EINE Energie, und alles hängt
mit dieser Lebensenergie zusammen, die schlussendlich nichts anderes ist als
„Gott“.
(…)
Der Mensch ist
ja ein schöpferisches Wesen. So wie man jetzt sein Leben gestaltet und jede
Sekunde neu erschafft, so erschafft man dann auch als Geistwesen im so
genannten Jenseits seine Umgebung. D.h. du kannst, wenn du das willst, deine
Schwester oder deine verstorbene Mutter für dich Gestalt annehmen lassen.
Diese sind zwar dort, das ist schon so, aber sie haben keine Gestalt, sie
sind ja Geistwesen. Du kannst dir ihr Erscheinungsbild erschaffen, so dass
du begreifst: Jetzt kommt z.B. meine Mutter, und sie sieht auch aus wie
meine Mutter!
Ganz einfach gesagt, kann man sich also sein „Paradies“
selber vorstellen?
Ja, ich bin
überzeugt, dass die Nahtoderfahrenden, die sich in der Geistigen Welt
aufhalten, sich anfänglich ihre Umgebung nach ihren Vorstellungen selber
erschaffen. Mit der Zeit merken sie, dass das nicht nötig ist und dass man
in einer ganz anderen Daseins-Wirklichkeit ist. Das hat nichts mehr mit der
gewohnten materiellen Welt zu tun, wo es Dinge gibt.
So dass man auch diese Verbindung zur bekannten Welt gar
nicht mehr unbedingt braucht? Dies braucht man ja wahrscheinlich vor allem,
damit man begreifen kann.
Ja, dies
verschwindet mit der Zeit und man kommt in eine ganz neue Daseins-Form
hinein. Dort war ich auch noch nicht, aber ich weiss, dass es einen Zustand
gibt, von dem man nicht mehr zurückkommen kann, und von dem noch niemand
zurück gekommen ist.
(…)
Gut dann kommen wir auf die Zeit zu sprechen, wie es denn
war, als du „zurückgekommen“ bist. Wieder diese Schwere und die Schläuche
und wo du auch wieder deinen Körper gespürt hast. War das ein Schock für
dich? Gedanken wie: Nein, wieso wieder zurück?
Gleich nach
dem Aufwachen aus der Narkose habe ich noch nichts wahrgenommen. Doch dann
bekam ich mit, dass die Ärzte mich aufgegeben hatten, dass sie gedacht
hatten, ich würde es nicht mehr lange mache. Meine Milz war Brei, die Leber
zerdrückt, diverse Knochenbrüche, Rippen, die in die Lunge hinein stachen.
Man gab mir in meinem Zustand vielleicht noch eine Woche. Meine Familie kam,
alle fünf Geschwister und die Eltern, um Abschied zu nehmen. Ich wollte sie
trösten, ich wusste ja, dass ich jetzt wieder da war und überleben würde
(lacht). Leider konnte ich aber nicht sprechen, weil ich von einer
Lungenmaschine beatmet wurde, mit einem Schlauch, der durch die Nase und
Stimmbänder zur Lunge führte.
Es war eine
schreckliche Zeit. Ich konnte wochenlang nicht essen und trinken, ich lag
einfach nur auf dem Rücken mit entsetzlichen Schmerzen. Ein leidendes
„Häufchen Elend“.
Extrem war wahrscheinlich auch der Übergang von „alles machen
können“ zu weniger als ein Baby.
Ich erlebte
höchstes Hoch und tiefstes Tief innert kürzester Zeit. Es ging dann fast ein
Jahr, bis ich wieder einigermassen genesen war. Nachdem ich dann aus dem
Spital kam, fiel ich ganz langsam in eine Depression hinein. Ich wusste
nicht mehr, was ich hier sollte. Ich wollte auch nicht mehr hier sein. Ich
hatte nicht wirklich Todessehnsüchte, ich wollte mich nicht umbringen, aber
ich sah wirklich keinen Weg mehr, Fuss zu fassen in dieser Welt. Ich habe
mich einfach in mein Zimmer eingeschlossen, die Storen runter gelassen und
starrte an die Decke. Das ist ziemlich lange so gegangen. Meine Eltern
fingen an, sich Sorgen zu machen und schickten mich zum Arzt. Dieser empfahl
mir, eine Psychoanalyse zu machen und meinte, dass ich da nicht mehr alleine
herauskommen würde. Mir war damals alles recht, denn ich wollte dieses leere
Gefühl einfach nicht mehr haben (lacht). Ich ging also zu einer
Psychiaterin, wo ich zweieinhalb Jahre diese Psychoanalyse gemacht habe. 5
Stunden pro Woche habe ich auf dieser Couch gelegen und einfach über mich
geredet.
Hast du dann auch von der Erfahrung erzählt?
Ja, ich musste
es ja irgendwie loswerden. Sonst habe ich 8 Jahre lang gar niemandem ein
Sterbenswörtchen davon erzählt. Dieses Erlebnis war für mich jenseits von
allem, was ich bisher erlebt hatte. Ich befürchtete, auf Unverständnis oder
Ablehnung zu stossen, wenn ich dies jemandem erzählen würde, oder dass man
dieses absolut tiefe Erlebnis dem Einfluss der Narkose oder Drogen
zuschieben würde. Was man halt in wissenschaftlichen Abhandlungen darüber so
liest. Nicht ernst genommen zu werden, hätte ich nicht ertragen. Heute kann
ich es, denn wenn ich diese wissenschaftlichen Berichte lese, denke ich nur:
Ok, ihr werdet es ja dann sehen, wenn ihr selber so weit seid.
Ich weiss nicht genau, wie das zu dieser Zeit war, aber ich
glaube, dass man die NTE noch nicht so kannte wie heute und dann war es
wahrscheinlich auch eine Erleichterung, lesen zu können, dass andere
Personen eine ähnliche Erfahrung gemacht haben wie du, oder? Du hast ja
gesagt, du wüsstest, dass deine Erfahrung echt war, aber möglicherweise gab
es doch ab und zu Unsicherheiten, vor allem auch dann, wenn es schon etwas
länger her ist.
Ich war in
dieser Sache total verwirrt. Vor allem weil ich dachte, ich sei der Einzige,
der das erlebt hat. Es war vor 30 Jahren und da hat kein Mensch darüber
geredet.
Nach diesen 8 Jahren konntest du dann diese Erfahrung völlig
annehmen und wieder ganz im Leben stehen und auch darüber reden?
Nein, das ging
nochmals anders. Das hätte ich niemals freiwillig gemacht, sondern ein
Spitalpfarrer wusste von meiner Erfahrung, denn ich hatte gleich nach der
Operation dem Arzt erzählt, was mir Merkwürdiges passiert sei. Ich fragte
ihn, was denn los gewesen sei, denn ich hätte gehört, wie er sagte, dass
mein Herz aufgehört hätte zu schlagen und man den Elektroschocker bringen
sollte. Der Arzt meinte dann, dass er es mir eigentlich nicht sagen wollte,
aber ich sei ihm kurz weggestorben während der Operation.
(…)
Dieser
Spitalpfarrer wusste dies also und hat mich angefragt, ob ich in einer Runde
mit totgeweihten Krebskranken von meinem Erlebnis erzählen würde. Ich sagte,
dass ich zuerst darüber nachdenken müsse, ich wusste nicht, ob ich im Stande
dazu wäre. Ich bin dann einer inneren Stimme gefolgt, die sagte, dass ich es
machen solle. Ich hatte es erlebt, ich durfte es erfahren, jetzt sollte ich
es aber auch erzählen. Also sagte ich zu und kam in diesen kleinen Raum und
da sassen alle diese kahlköpfigen, zusammengeschrumpften, abgemagerten
Gestalten – auch junge Leute – in einem Kreis. Dies war das erste Mal, dass
ich mein Erlebnis berichtet habe. Am Schluss haben wir alle geweint, auch
ich. Nicht weil wir traurig waren, sondern einfach wegen der Tröstlichkeit
dieses Moments.
War es denn eine Befreiung für dich?
Ja absolut,
für alle. Das erste Mal ist immer das emotionalste, jetzt kann ich darüber
relativ distanziert erzählen. Aber damals kam das alles mit einer solchen
Wucht. Es hatte eine unglaubliche Bedeutung für diese Menschen, die da so in
diesem Kreis zusammen waren. Sie sagten mir dann einfach nur: Danke, jetzt
haben wir keine Angst mehr!
Nun mal längerfristig gesehen mit der Verarbeitung und den
Veränderungen… Du hast ja vorhin vom Allwissen erzählt und viele sagen, dass
sie nach der NTE einen enormen Wissensdurst hatten, vielleicht auch, um
diesem Wissen wieder etwas näher zu kommen. Wenn ich das richtig verstanden
habe, hast du dieses Allwissen jetzt ja nicht mehr, oder?
(lacht) Nein,
das ist verschwunden wie ein Traum. Denn das hat hier drin (zeigt auf den
Kopf) gar keinen Platz.
Ist denn bei dir jetzt ein solcher Wissensdurst vorhanden?
Möchtest viel erfahren und wissen oder bist du eher einfach zufrieden, so
wie es ist, und weisst, dass dies dann sowieso wieder einmal kommt?
Ich war so
entwurzelt, dass ich unbedingt hinter die Dinge sehen wollte. Zuerst war da
diese Psychoanalyse. Ich wollte wissen, was passiert ist und wie ich das
verkraften konnte. Das hat mir recht gut geholfen. Ich habe zu meiner
Persönlichkeit ein wenig zurückgefunden, aber es hat doch noch nicht
gereicht. Ich habe dann wirklich alles zu lesen begonnen, was mir Inputs
gegeben konnte. Ich habe angefangen die Bibel zu lesen, habe mich mit allen
möglichen Sekten eingelassen, mit Mormonen, Zeugen Jehovas. Ich habe diese
zu mir eingeladen und sagte ihnen, sie sollen einfach mal erzählen. Ich ging
zu deren Sitzungen und habe auch sonst einfach alles gelesen, was man kann:
Doktor Moody, Kübler-Ross, esoterische Schriften, psychologische Schriften.
Ich habe angefangen aufzusaugen. Ich wollte wissen, was andere Leute zu
diesem Thema zu sagen haben.
Mit der Zeit
kann man das verarbeiten und mit einer persönlichen Art damit fertig werden.
Es gibt dann auch eine gewisse Sicherheit, für das, was man erlebt hat. Ich
hatte wirklich einen riesen Wissensdurst, auch jetzt noch.
(…)
Im Gespräch über Religion und Spiritualität…
(…)
Die Hölle ist
auch so ein Thema, über welches ich unter anderem mit religiösen Leuten
diskutiert habe. (studiert) Also ich habe dort drüben nichts wahrgenommen,
das irgendetwas mit einer Hölle oder einer Bestrafung zu tun hat, nichts das
dich richtet und auch keine Verdammnis. Dort gibt es nur etwas, die Einheit,
und das ist das Licht, das ist die Liebe. Und jeder Sünder, jeder
Massenmörder, was auch immer, der wird dort drüben geliebt. Denn das Leben
hier ist eine Schulung für die Seele, um Erfahrungen zu sammeln.
Jetzt kommen
wir vielleicht etwas ins Theologische hinein. Die zehn Gebote werden von uns
ja so interpretiert, dass wenn man es richtig macht, geht’s nach oben und
sonst nach unten. Es heisst aber nirgends, dass du dieses und jenes nicht
tun darfst, sondern es heisst lediglich, dass du es nicht tun
sollst.
Also eigentlich ist es die eigene Entscheidung?
Richtig, du
darfst alles machen, wofür du den Impuls hast. Du darfst das Schlimmste
machen, aber du trägst nachher natürlich einfach die Konsequenzen. Denn der
Kosmos gleicht alles aus, doch das ist nicht eine Bestrafung, sondern das
ist nur ein Ausgleich. Ich weiss jetzt, dass alles zum Guten hinarbeitet,
auch das Schlimmste. Wenn du eine schlechte Tat machst, vielleicht eine
bösartige, lieblose, dann kommt irgendwann die Konsequenz auf dich zurück.
Das habe ich auch gelernt, dass eben alles, was du in die Welt hinaussetzt,
wieder auf dich zurück kommt. Zu einem anderen Zeitpunkt, in einer anderen
Situation, aber du erleidest dies selber, was du anderen angetan hast. Darum
muss man auch nicht erstaunt sein, wenn einem etwas Unangenehmes passiert,
denn das könnte das Echo auf vergangene Taten sein.
(…)
Ich denke,
dass auch dieses Leben hier, ein grosses Ziel und einen grossen Sinn hat.
Es geht bei uns Menschen darum, unsere Energieaufnahmefähigkeit für
Liebe, ich sage dem das Liebesgefäss, zu vergrössern. Wenn du also mit
deiner kleinen Erfahrung von Liebe nur ein fingerhutgrosses Gefäss hast und
du stehst dort drüben plötzlich diesem Ozean von Liebe gegenüber... da bist
du gar nicht fähig, diese Fülle aufzunehmen. Das habe ich selbst gespürt.
Und deshalb geht es in diesem Erdenleben darum, dass man versucht seine
Liebesfähigkeit zu vergrössern, damit man nachher mehr von dieser Energie
empfangen kann. Je grösser dieses Gefäss ist, desto näher kannst du zu
diesem Licht hin, die Religionen würde sagen: Näher zu Gott.
Würdest du sagen, dass dies der Sinn des Lebens und auch der
Lebensauftrag ist?
Ich denke
schon. So wie ich das jetzt interpretiere. Jedoch spielt das Böse eine
wesentliche Rolle im Ganzen. Ohne das Böse wird das Gute nicht erkannt,
also
ist es ein wesentlicher Faktor, um die Liebe als Gegenteil zu erkennen und
anzustreben.
Und darum ist das Böse von der Liebe erschaffen, so absurd das klingen mag.
(lacht)
(…)
Nochmals wegen
den 10 Geboten. Diese Gebote sind keine Vorschriften sondern eigentlich eine
Checkliste. Du kannst dann sagen für „töten“ habe ich keine Impuls, also
abhaken. „Stehlen“? Gut, also mal sich etwas Vorteile verschaffen, so dass
der andere schlechter wegkommt, diesen Impuls habe ich noch, das kann ich
noch nicht abhaken. Das heisst, ich bin noch nicht so weit, dass ich die
negativen Impulse auf der Liste nicht mehr habe und sagen kann, dass ich
jetzt „heilig“ wäre. (lacht)
Glaubst du denn auch an die Reinkarnation, so dass man
eigentlich weiter an seiner Checkliste arbeiten kann?
Ich weiss
nicht, warum so viele Leute ablehnen, dass man mehr als einen Anlauf
braucht, um zur vollkommenen seelischen Reife zu kommen. Das ist für mich
völlig logisch. Wenn ein Mensch auf die Welt kommt, dann kann er ja auch
nicht am nächsten Tag als Universitätsprofessor Vorlesungen halten. Man muss
zuerst lernen zu laufen, zu spielen, man geht in den Kindergarten, in die
Schule, zur Uni usw. Immer in die nächste Schulklasse, bis man eben Meister
ist. Wenn man Meister ist, kann man selbst unterrichten und sich so
einbringen. Ebenso kann man nicht in einem einzigen Menschenleben die ganzen
Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln, die es braucht, um vollkommen zu sein.
Bis man diese
ganze Checkliste im Griff hat, dauert es ein Weilchen. Es gibt nicht nur
diese eine Welt, um die vielfältigen Erfahrungen auf dem Weg zur
Vollkommenheit zu machen. Es gibt noch unzählige andere Möglichkeiten.
(…)
Ich weiss
noch, als ich da unter diesem Auto lag, dass ich eine Art Beurteilung über
mich selber machen musste. Ich habe neben mir ein liebendes Wesen gespürt,
ich hab es nicht genau gesehen, aber ich habe seine Anwesenheit
wahrgenommen. Es hat dann liebevoll gesagt, dass dies mein Leben gewesen sei
bis jetzt. Sieh es dir an, was meinst du dazu? Ich sagte dann: Ok, so
ziemlich verplempert. Ich würde mir etwa eine 3-4 als Note geben. Gut, was
machen wir da, willst du dir eine bessere Note holen, fragte mich das Wesen.
Offenbar war ich einverstanden, drum bin ich wieder hier und darf meine
verpatzte Schulklasse nachholen.
Denkst du, dass du dich hättest entscheiden können, nicht
mehr weiter zu leben? Oder war es klar, dass du zurück gehst?
Es war, glaube
ich, klar. Ich konnte nicht viel sagen, es ist entschieden worden. Ich habe
das Gefühl, dass ich mich bereits, bevor ich in diese Welt gekommen bin,
entschieden habe. Du bist ja vor deiner Menschwerdung ein kreativer Geist,
der an der Allwissenheit Teil hat und du weisst genau, was auf dich zukommen
wird. Und du entscheidest: Ich will in die Schweiz, mit diesen Eltern, zu
dieser Zeit, dieses und jenes durchmachen. Du kannst dir deine Prüfungen
zurechtlegen. Aber das vergisst man ja alles wieder, wenn man hier ist.
Es gibt aber
auch viele Menschen, die sich zu viel zumuten mit ihren selbst gestellten
Lebensaufgaben, weil sie eine Abkürzung machen möchten. Das sind dann jene,
welche irgendwann scheitern und denken, es nicht mehr zu schaffen.
(…)
Ich habe eine
grosse Freude an diesem Leben und geniesse jeden Moment, aber ich weiss,
dass dies irgendwann aufhören wird und ich dann wieder Abschied nehmen muss.
Das darf man einfach nicht ausblenden!
(…)
Betrachtest du dein Erlebnis als ein Geschenk, als einen
Segen?
Ja, im
Nachhinein war diese Erfahrung war ein Riesengeschenk, aber es war verbunden
mit Schmerzen und Qualen. Sie hat mir wieder in Erinnerung gerufen, was ich
vergessen oder eben ausgeblendet hatte: Dass dieses Leben eine Weiterführung
im geistigen Zustand findet und dass alles einen Sinn und ein Ziel hat.
Offenbar aber war diese Erkenntnis eine meiner Aufgaben im Leben, die ich
freiwillig nicht wahrnahm. Ich wurde unsanft drauf geschubst.
Es ist eine
unbezahlbare Kostbarkeit, die ich in meinem Herzen trage.
Gut, dann danke ich Dir ganz herzlich für das Interview und
für die Zeit, die Du investiert hast.
Milena Kuhn