Wiedergabe mit
freundlicher Genehmigung des Verlages
Die Erfahrung,
sich plötzlich außerhalb des eigenen Körpers zu befinden, ist in Geschichte
und Gegenwart vielfach bezeugt. In der amerikanischen Literatur wird sie »Out-of-Body-Experience«
(OBE) genannt. Sie unterscheidet sich von jenen in Nahtodeserlebnissen
bekundeten Außerkörpererfahrungen vor allem durch den Umstand, dass keine
Todesbedrohung besteht.
Der Schweizer Studienrat für
Biologie und Physik, Werner Zurfluh, hat schon in den achtziger Jahren
versucht, seine eigenen Erfahrungen mit dem merkwürdigen Phänomen der Außerkörperlichkeit
einem größeren Publikum zu vermitteln. Sein Buch »Quellen der Nacht« wurde
damals kaum zur Kenntnis genommen. Heute ist man eher geneigt, solche
unerklärlichen
Dinge an sich heranzulassen. An der Rätselhaftigkeit der Sache selbst hat
sich nichts geändert, wie aus dem folgenden Text von Zurfluh deutlich wird: »Jede
außerkörperliche Erfahrung gab mir die Gewissheit, dass es mir möglich war, bei
vollem Bewusstsein außerhalb der alltäglichen Wirklichkeit zu existieren.
Damit war auch klar, dass das Ich-Bewußtsein nicht vom Zustand des physischen Körpers
abhängig war, was sich direkt nur mittels eigener Erfahrungen bestätigen ließ.
Indirekt wurde meine Annahme durch die Erzählungen der Mystiker, Schamanen,
Astralreisenden und der mit Hilfe medizinischer Mittel Wiederbelebten bestätigt.
Das Erlebnis der Außerkörperlichkeit war also nicht nur bei mir, sondern
auch bei vielen Mitmenschen ein tatsächliches Ereignis.
Mit derartigen Überlegungen
meditierte ich den Untergang meines Weltbildes, mit dem ich mich bisher
identifiziert hatte. Im Grunde genommen bin ich seither nie mehr ganz von dem
Eindruck losgekommen, dass das >Leben< ein Existenzausschnitt sei, welcher
sich in einem hierfür bereitgestellten dreidimensionalen Weltsystem abspielt.«
Auch das Buch des Amerikaners
Robert Monroe, »Der Mann mit den zwei Leben«, ist lange Zeit nur in
esoterischen
Zirkeln bekannt gewesen. Monroe war Toningenieur und später Generaldirektor
eines großen Radiosenders in New York. Er wäre das zweifellos geblieben,
wenn ihm nicht eine seltsame Geschichte zugestoßen wäre:
Auch Robert Monroe
begann nachts im Schlaf, »seinen Körper zu verlassen«.
Zuerst sah er sich selbst
schlafend im Bett liegen, dann hatte er das Gefühl, durch die Zimmerdecke zu
gehen, im Freien in der Luft zu schweben und sein Haus und die Straße zu
betrachten. Alsbald schon fragte Monroe einen Psychiater, was es mit diesen
merkwürdigen Erfahrungen auf sich haben könnte. Noch während der
Konsultationen begann er, ein perfektes Doppelleben zu führen. Tagsüber blieb
er der New Yorker Geschäftsmann, und nachts wurde er zum Erforscher des
Fantastischen.
Er sammelte
immer mehr Erfahrungen und entdeckte, wie er sein »Heraustreten aus dem Körper«
willentlich auslösen konnte. Dazu musste er ein bestimmtes inneres Geräusch
erzeugen, und zwar genau in dem Augenblick, in dem er spürte, dass der Schlaf
ihn übermannte. Ein inneres Geräusch, das seinen ganzen Körper in leise
Vibrationen versetzte. Als Toningenieur hatte Monroe schließlich gute
Voraussetzungen dafür.
Von einem
Verlassen des Körpers zum nächsten lernte Monroe, sein außergewöhnliches
Talent zu benutzen, um seine Reisen immer weiter auszudehnen. Er leitete daraus
eine seltsame innere Kartografie ab. Wenn er seinen Körper erst verlassen habe,
so sagte er, habe das Bewusstsein die Möglichkeit, entweder im Inneren unserer
Raum-Zeit umherzuspazieren oder diese zu verlassen und eine sagenhafte Zone zu
besuchen, in der der Reisende neben anderen Wundern beispielsweise auch kleine
historische Nachprüfungen vornehmen könne.
Nach zwei Jahren
der Forschung kündigte Monroe seine Stellung als Generaldirektor und zog nach
Virginia, wo er ein Laboratorium baute, mit dem er auch anderen Leuten ermöglichen
wollte, ihren Körper zu verlassen. (Das sollte später bei ihm auch die Ärztin
und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross erfolgreich erproben.
Im Folgenden
beschreibt Robert Monroe eines seiner ersten »Out-of-Body-Erlebnisse« und wie
er sich daraufhin an seinen Freund, den Psychiater Dr. Foster Bradshaw,
wandte.
Robert A.Monroe, Virginia, Notierte Erlebnisse aus über 500
Ausserkörpererfahrungen
Es war spät nachts, und ich befand
mich kurz vor dem Einschlafen. Meine Frau neben mir war schon eingeschlafen. In
meinem Kopf schien etwas aufzuwallen, und rasch verbreitete sich eine Art
Vibration durch meinen ganzen Körper. Alles schien wieder das gleiche zu sein.
Als ich dalag und noch überlegte, wie ich die Sache auf andere Weise
analysieren könnte, fiel mir plötzlich ein, wie nett es wäre, wenn ich am nächsten
Tag mit dem Segelflugzeug einen kleinen Flug unternehmen könnte (mein
Steckenpferd zu jener Zeit). Ohne an irgendwelche Konsequenzen zu denken -
ohne auch nur zu wissen, dass es welche geben könnte -, dachte ich an das Vergnügen,
das der Flug mit sich bringen würde.
Nach einer Weile wurde ich mir
bewusst, dass etwas gegen meine Schulter drückte. Halb neugierig griff ich
hin, um festzustellen, was es sei. Meine Hand stieß an eine glatte Wandung. Ich
strich mit der Hand auf Armeslänge über die Wand, die sich glatt und
ununterbrochen fortsetzte.
Mit völlig wachen Sinnen
versuchte ich bei dem matten Licht zu sehen. Es war wirklich eine Wandung, und
ich lag mit der Schulter daran. Ich sagte mir sofort, ich sei eingeschlafen und
aus dem Bett gefallen.
Dann schaute ich mich wieder um.
Irgend etwas war falsch. Diese Wand hatte keine Fenster, keine Türen, und es
standen auch keine Möbel daran. Es war keine Wand aus meinem Schlafzimmer. Und
doch war sie mir irgendwie vertraut. Dann kam plötzlich das Erkennen. Es war
keine Wand, es war die Zimmerdecke. Ich schwebte unter der Decke und stieß
sanft dagegen, sobald ich mich bewegte. Ich rollte in der Luft, und verblüfft,
wie ich war, blickte ich abwärts. Dort in dem matten Licht stand unter mir
das Bett. Es lagen zwei Gestalten darin. Rechts war meine Frau. Neben ihr lag
jemand anders. Beide schienen zu schlafen.
Das war ein merkwürdiger Traum,
fand ich. Ich war neugierig. Wer lag in meinem Traum neben meiner Frau im Bett?
Ich schaute genauer hin, und der Schock war heftig. Ich war der jemand da im
Bett!
Die Reaktion kam fast
augenblicklich. Hier war ich, dort war mein Körper. Ich starb. Das war der Tod.
Und ich war noch nicht bereit zu sterben. Irgendwie brachten mich die
Vibrationen um. Verzweifelt schoss ich wie ein Taucher zu meinem Körper
hinab und tauchte hinein. Dann fühlte ich das Bett und die Decke, und als ich
die Augen öffnete, sah ich das Zimmer aus der Perspektive von meinem Bett aus.
Was war geschehen? War ich
wirklich beinah gestorben? Mein Herz schlug rasch, aber nicht ungewöhnlich
rasch. Ich bewegte Arme und Beine. Alles schien normal. Die Vibrationen waren
vergangen. Ich stand auf und ging durchs Zimmer, schaute aus dem Fenster,
rauchte eine Zigarette. Es dauerte lange, bis ich den Mut aufbrachte, ins Bett
zurückzukehren, mich hinzulegen und zu versuchen zu schlafen.
In der folgenden Woche ging ich zu
meinem Freund Dr. Bradshaw, dem Psychologen. Er war keineswegs mitfühlend, als
ich ihm die Geschichte erzählte. Er meinte, ich solle versuchen, das Erlebnis
zu wiederholen, wenn ich das könne. Ich erwiderte, ich sei nicht bereit zu
sterben.
»Ach, ich glaube nicht, dass Sie
das dabei tun würden«, erklärte Dr. Bradshaw gelassen. »Einige von diesen
Burschen, die Yoga und diese orientalischen Religionen praktizieren,
behaupten, sie könnten es immer tun, wenn sie es wünschten.«
Ich fragte ihn, was sie »tun«
könnten.
»Na, für eine Weile den
physischen Leib verlassen«, entgegnete er. »Sie behaupten, sie könnten überall
hingehen. Das müssten Sie mal versuchen.«
Ich sagte, das sei lächerlich.
Niemand könne ohne seinen physischen Leib herumreisen.
»Na, ganz so sicher wäre ich da
nicht«, erwiderte Dr. Bradshaw ruhig. »Sie sollten mal etwas über die Hindus
lesen. Haben Sie nicht Philosophie studiert?«
Ich bejahte das, aber da gab es
nichts von Reisen ohne den Körper, so weit ich mich noch erinnern konnte.
»Vielleicht haben Sie nicht den
richtigen Philosophieprofessor gehabt, das scheint's zu sein.« Dr. Bradshaw
steckte sich eine Zigarre an, dann betrachtete er mich. »Seien Sie doch nicht
so zurückhaltend. Versuchen Sie's und stellen Sie fest, was es ist!«
Natürlich hatte Dr. Bradshaw
allen Grund, gelassen in dieser Angelegenheit zu sein. Es passierte mir, nicht
ihm! Ich weiß dennoch nicht, was ich ohne seine pragmatische Einstellung getan
hätte - und ohne seinen wundervollen Humor. Diese Schuld werde ich niemals
begleichen können.
Die Vibrationen kamen und gingen noch sechs Mal, ehe ich den Mut
aufbrachte, das Erlebnis zu wiederholen. Als ich es dann tat, war es beinah eine
Enttäuschung. Als die Vibrationen in voller Kraft waren, dachte ich, ich wolle
aufwärts schweben - und ich tat's.
Ich schwebte glatt über dem Bett
aufwärts, und als ich wollte, dass es aufhörte, hörte es auf, und ich
schwebte mitten in der Luft. Es war ganz und gar kein unangenehmes Gefühl, aber
ich war nervös, dass ich plötzlich herunterfallen könnte. Nach einigen
Sekunden dachte ich mich abwärts, und einen Augenblick später fühlte ich mich
wieder im Bett, und alle physischen Sinne arbeiteten voll und normal. Es hatte
keine Unterbrechung des Bewusstseins von dem Moment an gegeben, als ich mich ins
Bett legte, bis zu dem Augenblick, als ich aufstand, nachdem die Vibrationen
verklungen waren. Wenn es nicht real war - nur eine Halluzination oder ein Traum
-, dann war ich in Schwierigkeiten. Dann fehlte mir die Möglichkeit zu
erkennen, wo das Wachen aufhörte und das Träumen begann.
In den Irrenhäusern gibt es
Tausende von Leuten, die genau dieses Problem haben.
Das zweite Mal, als ich versuchte,
mich absichtlich zu dissoziieren, hatte ich Erfolg. Wieder schwebte ich bis zur
Decke hinauf. Doch diesmal hatte ich ein überwältigend starkes sexuelles Bedürfnis
und konnte an nichts anderes denken. Peinlich berührt und ärgerlich über mich
selbst, weil ich diese Flut von Emotionen nicht zu beherrschen vermochte, kehrte
ich in meinen physischen Leib zurück.
Erst nach etwa fünf weiteren
Erlebnissen entdeckte ich das Geheimnis einer solchen Beherrschung. Zu jener
Zeit war sie eine sehr ärgerliche geistige Blockierung, die mich in dem Zimmer
eingesperrt hielt, wo mein physischer Leib lag.
Da mir keine andere Terminologie
zur Verfügung stand, nannte ich diese Lage den Zweiten Zustand und den ändern,
den nichtphysischen Leib, den wir anscheinend besitzen, den Zweiten Körper. Bis
jetzt hat sich diese Terminologie als ebenso geeignet erwiesen wie jede andere.
Bis zu dem ersten überzeugenden Erlebnis, das nachgeprüft werden konnte, hielt
ich diese Vorfälle für alles andere als Tagträume; ich dachte an
Halluzinationen, an eine neurotische Abweichung, an Anfänge einer
Schizophrenie, an Fantasien, durch Autohypnose verursacht, oder an noch
schlimmere Dinge.
Jenes erste nachprüfbare Erlebnis
war tatsächlich ein Schlag mit dem Schmiedehammer. Wenn ich die Daten als
Tatsache nehmen wollte, dann war das ein harter Schlag für all meine
Lebenserfahrung bis zu jenem Tag, für meine Ausbildung, meine Vorstellungen und
Wertmaßstäbe. Doch vor allem zerstörte es meinen Glauben an die Totalität
und Gewissheit der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in unserer Kultur. Ich
war überzeugt gewesen, dass unsere Wissenschaftler alle Lösungen besaßen.
Oder doch die meisten.
Wenn ich umgekehrt ablehnen
wollte, was mir - wenn vielleicht auch noch keinem ändern - evident war, dann
musste ich auch ablehnen, was ich so hoch einschätzte:
dass die
Emanzipation der Menschheit und ihr aufwärts gerichtetes Streben vor allem von
der Übersetzung des Unbekannten ins Bekannte abhängen, wozu ihr der Intellekt
und die wissenschaftlichen Prinzipien dienen.
Das war das Dilemma. Es könnte
wirklich eine Berührung mit dem Zauberstab und das Geschenk einer Begabung
gewesen sein. Ich weiß es bis heute noch nicht.
Literaturhinweis:
Der vorliegende Text ist mit Genehmigung des Verlages aus der Zeitschrift Publik-Forum
Extra entnommen: Peter Rosien "Haben wir zwei Körper?"
Das Jenseits in uns, ISBN 3-88095-110-1
Das darin beschriebene Buch ist
von Monroe, Robert A. "Der
Mann mit den zwei Leben" Ansata Verlag, München 1981