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Das Neue Weltbild

 

   

 

 

 

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

   

 

 

 

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

   

 

 

 

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 

 

   

   

  

 

 








1-Fragestellungen
2-Konstantin
3-Nicäa-Arius
4-Arianer-Nicäaner
5-Konstantinopel
6-Streit um Origenes
7-Christologie
8-Schulen
9-Ephesus-Nestorius
10-Chalcedon
11-Ära Justinian
12-Origenes
13-Beschlüsse
14-Zusammenfassung
15- Anathematismen
ZEITDIAGRAMM

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

Kapitel 11
Die Ära Justinian
 

11.1 Monophysitische Wirren
11.2 Origenistische Wirren  (2. Origenistische Streit)
11.3 Der Drei-Kapitel-Streit
11.4 Das 5. Ökumenische Konzil zu Konstantinopel
11.5 Zusammenfassung des Zeitalters Justinians

"Unter Kaiser Justinian 1. (527—565), Nachfolger des Kaisers Justin, erlebte das byzantinische Reich noch einmal Tage des Glanzes und Ruhmes. Das Ziel des großen Herrschers war die Wiederaufrichtung des römischen Weltreiches auf christlicher Grundlage. Diesem Ziele dienten seine siegreichen Kriege gegen Vandalen und Ostgoten, seine Maßregeln zur Ausrottung des Heidentums und der Häresie, das Riesenwerk der Gesetzeskodifikation und eine unermüdliche organisatorische Tätigkeit in Staat und Kirche, zahlreiche herrliche Kirchenbauten, vor allem in Konstantinopel und Ravenna. Die Kirche des Reiches beherrschte Justinian vollständig; sein Zeitalter ist die klassische Epoche des Cäsaropapismus. Als theokratischer Herrscher und Schützer der Orthodoxie hielt er sich für berechtigt und verpflichtet, Dogma und kirchliche Disziplin bis ins einzelne zu normieren und zugleich staatlichen Zwecken dienstbar zu machen. Für Fragen des Glaubens lebhaft interessiert, trat er selbst als theologischer Schriftsteller und Disputator auf. Seine Einmischung in die Glaubensstreitigkeiten stürzte freilich das Reich in neue unheilvolle Wirren, und die Hauptaufgabe, die er sich setzte, die Monophysiten mit der Kirche wieder zu versöhnen, blieb ungelöst."

 

11.1
Monophysitische Wirren

,,Die Kaiserin Theodora (gest. 548), Justinians kluge und energische Gemahlin, war im stillen dem Monophysitismus zugetan, der die Interessen der Frömmigkeit besser zu wahren schien. Auf ihr Betreiben wurde ein geheimer Monophysit, Anthimus, auf den Bischofsstuhl der Hauptstadt (Konstantinopel) erhoben (533). Als aber bald nachher Papst Agapet (535—536) in Konstantinopel erschien, bewirkte er beim Kaiser seine Ersetzung durch den orthodoxen Mennas (536). Agapet starb unerwartet rasch während seines Aufenthaltes in der Residenz (April 536). Nun suchte die ränkevolle Kaiserin den Monophysitismus sogar nach Rom zu verpflanzen, um ihn mit Hilfe des Papsttums zur Herrschaft zu bringen. Der ehrgeizige römische Archidiakon Vigilius, Apokrisiar, d.i. päpstlicher Gesandter am byzantinischen Hofe, ging auf ihren Antrag ein und erlangte unter Verdrängung des gotenfreundlichen rechtmäßigen Papstes Silverius (536 bis 537) mit Hilfe des kaiserlichen Feldherrn Belisar 537 in der Tat den römischen Bischofsstuhl.

Silverius starb bald im Elend des Exils auf der Insel Pontia (Dezember 537), und Vigilius wurde nun allgemein anerkannt. Aber zu einer offenen Erklärung zugunsten des Monophysitismus war er nicht zu bewegen und konnte bei der einmütigen Haltung des Abendlandes wohl auch nicht anders. In einem Schreiben an den Kaiser und den Patriarchen Mennas bekannte er sich ausdrücklich zum Chalcedonense (540). Die Stellung der Monophysiten blieb aber während der ganzen Regierung Justinians im Orient bedeutend."

Vor allem in Armenien und Ägypten gewannen die Monophysiten immer mehr Einfluss.

 

Zur Verdeutlichung der politischen Lage Italiens:

Unter den letzten weströmischen Kaisern hatten die germanischen Söldnerführer immer mehr Macht bekommen, da sie für die Verteidigung des Reiches nötig waren. Der letzte weströmische Kaiser Romulus Augustulus war schließlich von dem germanischen Söldnerführer Odoakar im Jahre 476 abgesetzt worden; dieser ernannte sich selbst zum König von Italien. Mit Einverständnis des oströmischen Kaisers fielen die Ostgoten in Italien ein; im Jahre 493 wurde Odoakar von dem Ostgotenkönig Theoderich getötet; Theoderich beherrschte nun Italien. Nach seinem Tod kam es zu Zwistigkeiten zwischen den Ostgoten und dem oströmischen Kaiser. Zwei Jahrzehnte lang versuchte Ostrom, Italien wieder in seine Macht zu bekommen. In dieser Zeit wurde Rom fünfmal belagert. Die Eroberung Roms im Jahre 536 durch den oströmischen Feldherrn Belisar ermöglichte die Ernennung des Vigilius zum Papst. Erst im Jahre 553 wurden die Ostgoten endgültig von Belisars Nachfolger, Narses, besiegt.

 

 

11.2 Origenistische Wirren  (2. Origenistische Streit)

Wie bereits (in Kapitel 6) geschildert, wurden um das Jahr 400 origenistische Mönche aus Ägypten vertrieben, die sich zum Teil in Palästina niederließen. In der nun folgenden Zeit schlossen sich vor allem gebildete Mönche dem Origenismus an, ebenso wie es im ägyptischen Mönchtum der Fall gewesen war. Die Origenisten hatten bereits seit langer Zeit unterschiedliche Auffassungen von der Auslegung der ursprünglichen Lehre, was zu Spaltungen und gegenseitigen Anfeindungen führte:

Die Isochristen vertraten die Meinung: Alle Seelen, die gleichzeitig erschaffen wurden, waren einander gleich; auch die Seele Christi gleiche der menschlichen Seele. Am Ende der Entwicklung gebe es keinen Unterschied mehr zwischen Christus und den Menschen. 

Die Protoktisten lehrten: Die (präexistierende) Seele Christi ist anders als die menschliche Seele, weil sie als erste unter allen anderen erschaffen wurde. Die Protoktisten entfernten sich immer mehr aus dem Lager der Origenisten und näherten sich der katholischen Seite, also der offiziell vertretenen Lehrmeinung.

Die Origenisten traten also im 6. Jahrhundert nicht mehr als einheitliche Gruppe auf; auch ihre Sympathien zu anderen Gruppen waren nicht mehr auf einen Nenner zu bringen. Gemeinsamkeiten dürften vor allem mit einem Großteil der Monophysiten bestanden haben; das Verbindende war die Lehre von der einen Natur Christi, die auch Origenes vertreten hatte (s. Kapitel 8); daneben gab es allerdings auch Streitpunkte zwischen beiden Gruppen. Bei all dem ist es wichtig, zu wissen, dass die im 6. Jahrhundert vertretene Meinung der Origenisten nicht unbedingt mit der ursprünglichen Lehre des Origenes übereinstimmt.

,,Die sog. neue Laura bei Thekoa war das Hauptlager der Origenisten, ihr Hauptgegner der hl. Sabas, Abt der alten oder großen Laura bei Jerusalem und Oberhaupt der palästinensischen Mönche. Seine Bemühungen, den Kaiser Justinian gegen Origenes zu stimmen, waren anfangs erfolglos. Nach seinem Tode (532) gewann die origenistische Richtung in Palästina und darüber hinaus sogar noch weitere Verbreitung; zwei ihrer Anhänger, die gelehrten Mönche Domitian und Theodor Askidas, wurden durch Justinian auf Bischofsstuhle (Ancyra und Cäsarea in Kappadozien) befördert (537). Aber bald darauf folgte ein Umschlag. Der Oberabt Gelasius vertrieb über 40 Origenisten aus der alten Laura. Als diese sich ihrerseits mit Hilfe der Bauern zu Ausschreitungen gegen ihre Gegner hinreißen ließen und beide Teile weitere Unterstützung fanden, trugen die Antiorigenisten (Sabaiten) den Sieg davon. Sie bestimmten den Patriarchen Ephram von Antiochien zu einer formellen Verurteilung des Origenismus, und der Patriarch Peter von Jerusalem sandte eine von ihm ausgearbeitete Klageschrift gegen die Origenisten an den Kaiser (542).

Justinian, der so gern theologisierte, erließ 543 ein Edikt, in welchem neun Sätze des Origenes und seine Person verurteilt waren; sein Name war ferner dem Verzeichnis der Ketzer beigefügt, die von den Bischöfen und Äbten bei ihrem Amtsantritt anathematisiert (— verdammt, verworfen) werden mussten. Origenes, der größte Theologe der griechischen Kirche, der Sohn eines Märtyrers und selbst Konfessor, war so mit Arius (s. Kapitel 3) und anderen Häretikern auf eine Linie gestellt! Aber da alle Bischöfe des Reiches, auch Mennas von Konstantinopel und Papst Vigilius (537—555) dem Edikte zustimmten, so hatte ihn tatsächlich die Gesamtkirche dreihundert Jahre nach seinem Tode in der schärfsten Form verdammt."

Bei diesen Vorgängen hatte der Hofpatriarch Mennas die Antiorigenisten unterstützt. Eifersüchtig auf Theodor Askidas, hatte er erwartet, dass dieser — bekannt als Origenist — die Unterschrift unter das Edikt verweigern und damit seine Macht verlieren würde. Es geschah jedoch das Gegenteil: Askidas unterschrieb (zum Schein?) und behielt seine Schlüsselstellung am Kaiserhof.

 

 

11.3 Der Drei-Kapitel-Streit

Bischof Theodor Askidas nutzte weiterhin seinen großen Einfluss bei Hof: Da er selbst Origenist war, wollte er eine weitere Verfolgung der Origenisten verhindern und wählte dazu ein wirksames Mittel: Er lenkte den Sinn des Kaisers auf eine andere wichtige Angelegenheit, die ihn fortan ganz in Anspruch nehmen sollte.

Seit dem Konzil von Chalcedon (s. Kapitel 10) war es immer aussichtsloser geworden, die Monophysiten wieder in die Kirche zurückzuführen. Die politische Einheit des Reiches war dadurch ernsthaft bedroht.

Theodor Askidas machte nun dem Kaiser einen Vorschlag, wie die Monophysiten wieder zu versöhnen seien: Der Kaiser müsse sich nur eindeutig gegen führende Theologen der antiochenischen Schule aussprechen, die als Verfechter der Zwei-Naturen Lehre aufgetreten waren. Diesem Rat folgend, erließ Kaiser Justinian im Jahre 544 (eventuell auch schon im Jahre 543) ein Edikt gegen die sogenannten "Drei Kapitel". Darin sprach er das Anathem (die Verdammung) über:

a) Person und Schriften des Theodor von Mopsuestia (er war der Lehrer und geistige Vater des Nestorius), s. Kapitel 13, 2;

b) die Schriften des Theodoret von Cyrus, in welchen er Cyrill und die Beschlüsse von Ephesus angreift und Nestorius verteidigt, s. Kapitel 9 und 10;

c) einen ähnlichen Brief des Ibas von Edessa an den Perser Maris, in welchem er Theodor verteidigt und ebenfalls Cyrill angreift, s. Kapitel X; (ein Perser als Adressat war aus einem bestimmten Grund verdächtig: Persien war eine Hochburg der Nestorianer geworden; daß man sie am persischen Hof unterstützte, war ein Ausdruck politischer Gegnerschaft zum römischen Reich).

Da das Konzil von Chalcedon (451) Theodoret von Cyrus und Ibas von Edessa restituiert hatte, wurde es von den Monophysiten des Nestorianismus bezichtigt. Dieser "Stein des Anstoßes" sollte nun durch die Verwerfung der Drei Kapitel beseitigt werden. Kaiser Justinian konnte mit dieser Maßnahme aber noch mehr erzielen:
— Kaiserin Theodora war dadurch zufriedengestellt;
— die Origenisten begrüßten die Verurteilung des Theodor von Mopsuestia, weil er den Origenismus bekämpft hatte;
— auch einige Sabaiten, die Gegner der origenistischen Mönche (s. Kapitel 11, 2), feindeten die Schriften des Theodor von Mopsuestia an — seine Verurteilung war also in ihrem Sinne.

Es war das Bestreben des Kaisers, alle Unruheherde im Reich zu beseitigen, da sie ihn an der Verwirklichung seiner politischen Ziele hinderten. Gleichzeitig beschwor er dadurch aber neuen Aufruhr herauf; denn trotz seiner Beteuerung, er wolle die Konzilsbeschlüsse nicht antasten, war die Verurteilung der Drei Kapitel doch eine Anfechtung dieser Beschlüsse.

Selbst die morgenländischen Bischöfe unterschrieben deshalb erst, als ihnen der Kaiser mit Absetzung drohte. Der Hofpatriarch Mennas leistete seine Unterschrift mit dem Vorbehalt, dass er sie nur geben könne, wenn auch der Papst einverstanden sei. Der päpstliche Legat Stephan, der eine entschiedenere Ablehnung des kaiserlichen Ediktes forderte, entzweite sich daraufhin mit Mennas.

Eindeutiger Widerstand erhob sich von seitens der abendländischen Bischöfe. Dies hatte für den Kaiser auch politische Bedeutung: Da sich Italien fast ganz in der Hand der Ostgoten befand, die auch noch Unterstützung vom einfachen Volk erhielten, fiel in den Augen des Kaisers dem Klerus die wichtige Aufgabe zu, das Land durch seine Kaisertreue wieder an das oströmische Reich zu binden, so lange kein militärischer Sieg möglich war. Justinian plante nun, zuerst den Papst zur Annahme seines Edikts zu bewegen, um damit auch die abendländischen Bischöfe für sich zu gewinnen.

Der Papst sollte aus diesem Grund nach Konstantinopel kommen; unter entsprechenden Druck gesetzt, reiste Papst Vigilius schließlich am 22. 11. 545 von Rom ab; nach mehreren Aufenthalten traf er am 25. 1. 547 in Konstantinopel ein.

Dort trat bald der Gegensatz zum Kaiser und zum Hofpatriarchen Mennas offen zutage. Mennas ließ den Papst aufgrund dessen aus den Diptychen streichen. Zeitweise wurde der Papst sogar seiner persönlichen Freiheit beraubt. Viele morgenländische Bischöfe standen auf seiten des Kaisers. Auf Drängen des Kaisers erklärte sich der Papst dann doch verhandlungsbereit, worauf er wieder in die Diptychen aufgenommen wurde.

Am 11. 4. 548 gab der Papst sein "Iudicatum" heraus, in welchem er gleichzeitig die "Drei Kapitel" verurteilte und alle bisherigen vier ökumenischen Konzilien bekräftigte.

"Dieser Schritt des Papstes rief unter den Abendländern die größte Aufregung hervor. Man sah darin einen Triumph des Cäsaropapismus Justinians, eine unerlaubte Begünstigung der Monophysiten und eine Untergrabung der Autorität des Konzils von Chalcedon. Die Afrikaner unter Führung des Bischofs Reparatus von Karthago schlossen Vigilius geradezu aus ihrer Kirchengemeinschaft aus, bis er Buße tue (550). Facundus, Bischof von Hermiane, und andere afrikanische Theologen eröffneten eine scharfe literarische Polemik gegen die Justinianische Kirchenpolitik und zur Verteidigung der "Drei Kapitel". Unter diesen Umständen wurde zwischen Papst und Kaiser das Übereinkommen getroffen, dass zur Beilegung der Wirren eine allgemeine Synode veranstaltet und bis dahin in der Sache nichts weiter getan werden solle."

Der Kaiser wollte damit auch die Zustimmung der abendländischen Bischöfe erreichen; deren Gegnerschaft hätte sich, wie bereits erwähnt, für ihn politisch verhängnisvoll ausgewirkt. Nun ließ der Kaiser vorübergehend Milde gegen Vigilius walten: Er gab ihm sein "Iudicatum" zurück. Es wird jedoch überliefert, dass Vigilius dem Kaiser auf Eid versprechen musste, die Ablehnung der "Drei Kapitel" auf dem Konzil zu veranlassen.

Entgegen den getroffenen Vereinbarungen veröffentlichte der Kaiser im Juli 551 ein neues Edikt "de recta fide" gegen die "Drei Kapitel", was auf den Einfluss von Theodor Askidas (Monophysit und Origenist, genannt in den Kapiteln 11, 2 und 3) zurückzuführen war. Dies verschärfte den Gegensatz zwischen den morgenländischen und den abendländischen Bischöfen, die sich bereits wegen des Konzils in Konstantinopel befanden. Um die Unterstützung der Abendländer wieder zu gewinnen, die er als Papst nun einmal benötigte, zeigte sich Vigilius dem Kaiser gegenüber nicht mehr gefällig sondern erhob Einspruch gegen das Edikt.

Daraufhin gab der Kaiser Befehl zur Gefangennahme des Papstes. Dieser flüchtete am 14.8.551 zusammen mit 13 abendländischen Bischöfen in eine Kirche; dort wollte er verkünden, dass er sowohl Theodor Askidas als auch Mennas aus der Kirchengemeinschaft ausschließe. Das kaiserliche Militär versuchte, ihn mit Gewalt aus der Kirche zu entfernen, was beim Volk großen Aufruhr verursachte. Der Kaiser erkannte, dass er zu weit gegangen war, und versprach, für die Sicherheit des Kirchenoberhauptes zu sorgen. Als der Papst jedoch in seinen Palast zurückgekehrt war, sah er sich doch als Gefangenen behandelt und von Intrigen umgeben. Daher floh er, begleitet von seinen Bischöfen, am 23. 12. 551 nach Chalcedon, um in der dortigen Konzilskirche Asyl zu suchen. Im Januar 552 ließ er von dort aus das Dekret gegen Theodor Askidas und Mennas veröffentlichen; am 5.2.552 richtete er ein Rundschreiben an die ganze Christenheit.

Am kaiserlichen Hof suchte man nun einzulenken. An der Spitze der morgenländischen Bischöfe entschuldigten sich Theodor Askidas und Mennas beim Papst; alles, was bisher gegen die ,Drei Kapitel" unternommen worden sei, wäre vorläufig ungültig. Der Papst kehrte nach Konstantinopel zurück.

 

11.4
Das 5. Ökumenische Konzil zu Konstantinopel

Nachfolger des im Jahre 552 verstorbenen Hofpatriarchen Mennas war Eutychius geworden. Dieser überreichte dem Papst am 6.1.553 ein Glaubensbekenntnis und bat ihn um Klärung des Drei-Kapitel-Streits durch ein allgemeines Konzil; in einem Brief vom 8. 1. 553 erklärte sich der Papst damit einverstanden. Doch nun begann zwischen Kaiser und Papst eine Auseinandersetzung um den Tagungsort und die Teilnehmer. Vigilius verlangte, dass ebenso viele abendländische wie morgenländische Bischöfe anwesend sein sollten und dass das Konzil im Abendland (Italien oder Sizilien) stattfinden solle. Eine Einigung mit dem Kaiser kam nicht zustande.

Da der Kaiser die Wünsche des Papstes über die Durchführung des Konzils nicht berücksichtigt hatte, war es dem Papst klar, dass die Entscheidung über die "Drei Kapitel" wieder vom Kaiser (mit Unterstützung der morgenländischen Bischöfe) erzwungen würde. Daher zog er sein früheres Einverständnis zurück und verweigerte die Teilnahme.

Was sich zwischen dem 8. 1. 553 und dem 5. 5. 553 (der Konzilseröffnung) abgespielt hat, ist nicht genau überliefert. Die Nachforschungen von F. Diekamp und J. Straub ergeben folgendes:

Die zum Konzil geladenen Bischöfe waren bereits in Konstantinopel anwesend; die Verhandlungen über die "Drei Kapitel" konnten jedoch wegen der ablehnenden Haltung des Papstes nicht beginnen.

Das Konzil war ursprünglich nur wegen des Drei-Kapitel Streites einberufen worden. Seit dem Herbst des Jahres 552 verlangte jedoch auch der origenistische Streit in Palästina eine neue Entscheidung. Trotz des Edikts von 543 gegen Origenes und den Origenismus war keine Ruhe im palästinensischen Mönchtum eingekehrt. Es kam immer wieder zu Kämpfen zwischen Origenisten und ihren Gegnern.

Seit 547 war der Bruch innerhalb der Origenisten in Isochristen und Protoktisten (s. Kapitel 11, 2) offen zutage getreten. Im Sommer 552 vereinigten sich die Protoktisten, die auch die Präexistenz der Seelen ablehnten, mit den Orthodoxen; daraufhin reisten Vertreter der Protoktisten und der orthodoxen palästinensischen Mönche nach Konstantinopel, um Kaiser Justinian eine Schrift gegen die Isochristen zu überreichen.

Während ihres Aufenthaltes in Konstantinopel verstarb im Oktober 552 Patriarch Petros von Jerusalem. Die Isochristen bestimmten daraufhin eigenmächtig einen aus ihren Reihen, Makarios, zu seinem Nachfolger und verursachten damit erneute Unruhen in Jerusalem. Darüber war der Kaiser so erzürnt, dass er Makarios sofort wieder absetzte und die Klageschrift gegen die Origenisten (Isochristen) um so bereitwilliger annahm.

Der Kaiser hatte nun vor, den Origenismus durch die in Konstantinopel versammelten Bischöfe verdammen zu lassen und so die Streitigkeiten in Palästina endlich zu einem Abschluss zu bringen. Der Papst erklärte sich — noch vor den Verhandlungen — in einem Brief an Justinian damit einverstanden. Da er jedoch alles daransetzte, die geplante ökumenische Synode in der vom Kaiser festgelegten Form zu verhindern, stimmte er der Eröffnung eines allgemeinen Konzils — selbst für Beratungen, die in seinem Sinne waren — nicht zu.

Kaiser Justinian schickte an dieselbe Synode, die später die "Drei Kapitel" verwarf, einen Brief über den Origenismus der Isochristen, dem 15 Anathematismen angefügt waren. Etwa im März/April 553 verwarf diese Synode den Origenismus, wobei sie die 15 Anathematismen des Kaisers übernahm.

Da dies alles vor der eigentlichen Konzilseröffnung am 5. 5. 553 (Beginn der Sitzungen über die ,Drei Kapitel") stattfand, wird in manchen Quellen die Verdammung des Origenes und des Origenismus auf dem 5. ökumenischen Konzil zu Konstantinopel gar nicht erwähnt; das heißt, in diesen Quellen werden die oben genannten 15 Anathematismen nicht als Konzilsentscheidungen gewertet.

Im Gegensatz dazu berichten viele Quellen von der Verdammung des Origenes und des Origenismus auf dem 5. ökumenischen Konzil, oftmals unter besonderem Hinweis auf die Präexistenz der Seelen und die Apokatastasis (s. Kapitel 12, 2).

,Wichtig sind dabei vor allem die Zeugnisse aus der ersten Zeit nach dem Konzil, so z. B. von:

a) Evagrios, Kirchenhistoriker, geb. um 536;

b) Kynllos von Skythopolis, Kirchenhistonker, Zeugnis v. 557;

c) Eulogios, Patriarch von Alexandrien, 5 80—607;

d) Verfasser der Osterchronik (anonym) aus Byzanz, 630—641;

e) Sophronius, Patriarch vonJerusalem, Zeugnis von 634;

f) Georgios, Mönch und Presbyter, um 639;

g) Anastasios Sinaites, Traktat entstanden 692—695;

h) Georgios Monachos, Chronist, 842—867.

Von Evagrios, Anastasios Sinaites und Georgios Monachos ist bekannt, dass sie gute Sachkenntnis über die Konzilsakten besaßen.

Die Aussagen der oben genannten Autoren werden bekräftigt durch die Akten der Lateransynode (649), des 6. ökumenischen Konzils zu Konstantinopel (680—68 1) und der Trullanischen Synode (692).

*

Am 5. 5. 553 wurden die Sitzungen des 5. ökumenischen Konzils über die "Drei Kapitel‘ ohne den Papst (weil der Kaiser keinen weiteren Aufschub duldete) von dem neuen Hofpatriarchen Eutychius eröffnet. Der Kaiser selbst war zwar nicht anwesend, das schmälerte jedoch seine Einflussmöglichkeiten nicht. Die 151 anwesenden Konzilsväter waren überwiegend Morgenländer. Die Sitzungen verliefen ganz im Sinne des Kaisers.

Am 14. Mai verbot der Papst in seinem "Constitutum 1" die Verurteilung der "Drei Kapitel"; 16 Bischöfe (in der Mehrheit Abendländer) unterzeichneten. Dieses Schriftstück wurde den Kaiser übermittelt, der jedoch die Annahme verweigerte. In der 7. Sitzung am 26. 5. 553 wurde den Versammelten mitgeteilt, dass der Kaiser den Namen des Papstes aus den Diptychen streichen lasse; dies wurde von der Synode gebilligt.

Mit der 8. Sitzung am 2.6. 553 endete das Konzil. Das Ergebnis waren 14 Anathematismen, die in der Hauptsache vom Kaiser verfasst waren, das heißt, sie enthalten die 13 Capitula des Edikts von 551 "de recta fide" — weitgehend wörtlich. Sie befassen sich mit der Trinität, der Menschwerdung Jesu und speziell mit den "Drei Kapiteln". Canon 11 verurteilt Häretiker, die bereits von vorausgehenden Konzilien verurteilt worden waren, so z. B. Arius, Nestorius, Apollinaris. Origenes wird in Canon 11 erstmals auch als Häretiker genannt, seine Person und Lehre verdammt. Das Edikt von 551 enthielt den Namen des Origenes noch nicht.

Das Kapitel 12 geht nochmals auf die Beschlüsse des Konzils ein.

Es werden 166 Unterschriften unter den 14 Canones überliefert, das sind 15 oder 16 Namen mehr, als die Anwesenheitsliste der 8., der letzten Sitzung aufweist. Da die griechischen Originalakten nicht mehr vorhanden sind, lässt es sich nicht mehr "ermitteln, ob die... aufgeführten zusätzlichen Unterschriften derjenigen Bischöfe, die nicht am Konzil teilgenommen hatten, bereits in der ersten Fassung der Akten überliefert waren."30 .Der Papst verschlimmerte seine Lage dadurch, dass er sich weigerte, die Konzilsentscheidungen anzuerkennen; wieder bekam er die Macht des Kaisers zu spüren: Er wurde schlecht behandelt, seine drei römischen Diakone wurden verbannt oder gefangengenommen.

Der Kaiser hatte die Gunst des abendländischen Klerus nicht mehr so nötig, seit sein Feldherr Narses im Frühjahr 553 die Ostgoten besiegt hatte und damit Italien wieder dem oströmischen Reich einverleibt war.  Schließlich fügte sich Vigilius — krank und zermürbt — dem Willen des Kaisers: Am 8. 12. 553 (Epistula II ad Eutychium) und nochmals am 23. 2. 554 (Constitutum II) erklärte er sich bereit, die Konzilsentscheidungen anzuerkennen. Diese beiden Schriftstücke enthalten die Verurteilung der "Drei Kapitel" durch den Papst und gelten als seine Anerkennung der Konzilsentscheidungen (die 14 Canones selbst weisen keine Unterschrift des Papstes auf).

Erst durch diesen Schritt waren die Zerwürfnisse zwischen Kaiser und Papst aus dem Wege geräumt. Vigilius erhielt seine Freiheit wieder. Ende 554 oder Anfang 555 reiste er aus Konstantinopel ab, aber er verstarb auf dem Wege nach Rom am 7.6.555.

 

11.5 Zusammenfassung des Zeitalters Justinians

a) Die zur 5. ökumenischen Synode nach Konstantinopel einberufenen Konzilsväter verurteilten noch vor den Sitzungen über die "Drei Kapitel" auf Weisung des Kaisers den Origenismus in 15 Anathematismen. Diese Entscheidung war vor allem gegen die Isochristen, die origenistischen Mönche in Palastina, gerichtet (s. Kapitel 11, 2).

Kaiser Justinian zog daraus aber auch Nutzen für seine Einigungsversuche zwischen Monophysiten und Dyophysiten, da dies auch als Zugeständnis an die Dyophysiten gewertet werden konnte, deren Zwei-Naturen-Lehre die offizielle Lehrmeinung Roms war und ist.

Die Dyophysiten hatten Origenes wegen seiner Lehre von der einen Natur Christi (s. Kapitel VIII, 1) und auch wegen anderer Punkte seiner Lehre bekämpft — die Monophysiten (wenigstens ein großer Teil vor, ihnen) hatten Origenes aus demselben Grunde geschätzt.

Mit der Verdammung des Origenismus wurde gleichzeitig auch die Lehre von der Präexistenz und der Seelenwanderung, die dann enthalten war, verurteilt; dasselbe gilt für die Lehre von der Reinkarnation.

Ob nun die 15 Anathematismen zu den Konzilsentscheidungen im engeren Sinne gezählt werden können oder nicht, gehört zu den Streitfragen der Kirchenhistoriker. Jedenfalls wird in Can. 11 der 14 Anathematismen gegen die "Drei Kapitel", die allgemein als Konzilsentscheidungen gelten, Origenes erstmals als Häretiker genannt.

b) Nach 8 Sitzungen vom 5.5. 553 bis zum 2.6.553 wurden, dem Willen des Kaisers entsprechend, 14 Anathematismen über die "Drei Kapitel" (s. Kapitel XI, 3) ausgesprochen. Wer dem nicht zustimmte, musste mit Bann oder Absetzung rechnen. Damit wollte Kaiser Justinian erreichen, dass der christologische Streit, der seit dem Konzil von Ephesus (431) angedauert hatte, zu einem Abschluss kam — und zwar zu Gunsten der Monophysiten; durch dieses Entgegenkommen hoffte der Kaiser, die Monophysiten wieder mit der Kirche vereinigen zu können. Die Verurteilung der "Drei Kapitel" war gleichzeitig auch eine Entscheidung, die sowohl von den Origenisten als auch von einem Teil der Sabaiten begrüßt wurde (s. Kapitel 11,3).

 

Die Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel im Jahre 553 waren — nahezu wörtlich — vom Kaiser selbst verfasst worden (sowohl gegen den Origenismus als auch gegen die "Drei Kapitel"). Diese Beschlüsse sollten der Einheit des Reiches zugute kommen: Sie hatten den Zweck, miteinander verfeindete Parteien zu versöhnen und Unruheherde zu beseitigen. Dass dies durch Glaubensentscheidungen überhaupt möglich, bzw. nötig war, lag an der engen Verflechtung von Kirche und Staat.

Der Kaiser hatte nun sowohl eine Entscheidung im Sinne der Monophysiten (b) als auch eine Entscheidung im Sinne der Dyophysiten (a) gefällt; dadurch sollte eine Einigung der beiden sich befehdenden Parteien zustande kommen. Wenn man sich vor Augen hält, in welche Wirren die monophysitischen Streitigkeiten das Reich bereits gestürzt hatten (s. Kapitel 10), wird es klar, dass es für den Kaiser eine politische Notwendigkeit war, diesen Konflikt aus der Welt zu schaffen — um welchen Preis auch immer.

Ebenso war es wichtig, dass wieder Ruhe unter den palästinensischen Mönchen einkehrte, eine Entscheidung gegen die Origenisten, bzw Isochristen (a) sowie eine Entscheidung im Sinne der Origenisten (b) sollten dazu verhelfen. Diese Beschlüsse konnten jedoch nur den Rang von Konzilsentscheidungen erhalten, wenn der Papst seine Zustimmung gab (s. Kapitel II). Dass die Synode von Konstantinopel im Jahre 553 als ökumenische Synode anerkannt wurde, lag nur daran, dass der Kaiser dies mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vom Papst erzwang.

 

 

11.6 Nachwirkungen des Konzils

"Auch die folgenden Päpste anerkannten die Synode von Konstantinopel als fünfte allgemeine. Nicht so rasch aber ließen sich die übrigen lateinischen Kirchen dazu bewegen, wie überhaupt jene Vorgänge dem Ansehen des Papsttums und noch mehr dem des Kaisertums im Abendland schwer geschadet hatten. Die afrikanischen Bischöfe folgten zum größeren Teile erst nach einigen Jahren. Die Kirchenprovinzen Mailand und Aquileja zögerten noch länger. Sie trennten sich wegen der Streitfrage eine Zeitlang sogar vom römischen Stuhle; der Einfall der Langobarden in Italien im Jahre 568 begünstigte ihre Opposition, da er dem Kaiser die Anwendung von Gewaltmaßregeln verbot. Das Schisma erlosch erst unter Papst Sergius 1. (687—701) völlig. Geraume Zeit war es übrigens auf einen ziemlich kleinen Umfang beschränkt. Die Mailänder kehrten schon seit 570 allmählich zur Gemeinschaft mit der römischen Kirche zurück. Der unter byzantinischer Herrschaft stehende Teil von Aquileja-Grado unierte sich dagegen erst 607.

Die Monophysiten kehrten nicht mehr in die Kirchengemeinschaft mit Rom zurück. Im 7. Jahrhundert wurden nochmals Versuche gemacht, die Monophysiten durch die Anerkennung der Lehre von dem einen Willen in Christus (Monotheletismus) wieder mit der Kirche zu vereinen. Das 6. ökumenische Konzil zu Konstantinopel (680—681) verwarf jedoch diese Lehre und betonte, Christus habe sowohl einen göttlichen wie auch einen menschlichen Willen besessen, wobei sich der menschliche nach dem göttlichen Willen gerichtet habe.

 

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